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Europäische Verträge & Kritik - grenzüberschreitende Umweltprobleme im Herzen Europas

23.03.2007

50 Jahre Europäische Verträge und grenzüberschreitende Umweltprobleme im Herzen Europas

23.3.07

In diesen Tagen wird überall in Europa an 50 Jahre zurückliegende europäische Wurzeln, an die Europäischen Verträge erinnert.

Aber auch hier am Oberrhein - im Elsaß, in der Nordschweiz und in Südbaden - liegen wichtige Wurzeln der europäischen Zusammenarbeit. Vor über 30 Jahren wurden grenzüberschreitend die AKW`s in Gerstheim (F), Wyhl (D) und Kaiseraugst (CH) verhindert. Damals wurde auf den besetzten Plätzen der Region der Traum von Europa geträumt. „Mir keje mol d` Grenze über de Hüfe un danze drum erum“ In diesem Lied von Francois Brumbt drückte sich unser europäischer Traum vom grenzenlosen Europa aus und der gemeinsame alemannische Dialekt half mit, Grenzen und alte „Erbfeindschaft“ zu überwinden. Die Schweiz war und ist für uns immer ein Teil Europas.

So haben auch wir am Oberrhein die Realisierung Europas erlebt und mit erkämpft, und wenn Flüsse und Luft sauberer geworden sind, dann ist das mit der Erfolg der grenzüberschreitenden Umweltbewegung. Es ist auch ein Erfolg, dass sich das „alte
Europa“ nicht an jedem amerikanischen Krieg beteiligt.
Und dennoch erfahren wir neben den Erfolgen auch Rückschritte und Niederlagen.

Eine Niederlage ist der schweizerisch-deutsche Luftstreit um den Anflug auf den Flughafen Zürich. Alte und neue (noch kleine) Nationalismen und traurige Feindbilder auf beiden Rheinseiten überlagern den Europa / Regio / Dreyeckland-Mythos. In diesem Konflikt und in der Art, wie er manchmal ausgetragen wird, scheitert auch ein kleines regionales Stück Europa.

Wir erfahren und erleben immer wieder ein Europa, das insbesondere den Konzernen nützt, ein Europa, das sich sehr stark von dem Europa unterscheidet, das uns die PolitikerInnen in Wahlkämpfen immer anpreisen: Ein Europa, in dem häufig die gefährlichsten und umweltbelastendsten Großanlagen an die Grenzen gebaut werden, um nationale Vorteile zu genießen, Risiken und Dreck aber international zu verteilen.

Am Hochrhein, in der Grenzregion, stehen 4 von 5 Schweizer AKWs. Die Gefahr, die von diesen Atomanlagen ausgeht, soll jetzt durch neue AKW noch gesteigert werden. Ein Endlager für leicht- und mittelaktiven Atommüll war in der Innerschweiz politisch nicht durchsetzbar und darum kommt das „große Atomklo“ sehr wahrscheinlich nach Benken an den Rheinfall und damit wieder an die Grenze. Atommüll in einem geologisch schlechten Endlager ist nicht nur ein Problem für die Schweiz. Es ist ein Problem für Europa. Kein Geologe der Welt käme auf die Idee in so einer dünnen Schicht Opalinuston Atommüll zu lagern, wenn es die Nationalstaatsgrenzen nicht gäbe.

Das alternde AKW in Fessenheim liefert den Strom für die expandierende umweltbelastende Schwerindustriezone im Raum Chalampe-Ottmarsheim. EnBW, EDF und ihre VertreterInnen in den Parlamenten auf beiden Seiten des Rheins arbeiten eng zusammen. Jedes Jahr Gefahrzeitverlängerung bringt den Konzernen auch viel Geld.
Neue Atomanlagen sind in Deutschland (noch) schwer zu realisieren, also bereiten EnBW und EDF u.a. mit dem atomaren Umweltclub „au fil du Rhin“ den Zubau neuer Reaktoren vor. Der Name „Euroreaktor“ sagt viel über die europäischen Visionen der Atomkonzerne.

Unsere Europäischen Steuergelder werden ausgegeben, um die verheerenden Auswirkungen der Grundwasserverunreinigung durch die Kaliminen zu erforschen. Warum wird bei großen grenzüberschreitenden Umweltvergiftern nicht das Verursacherprinzip angewendet, fragen wir Umweltschützer.

Der Oberrhein wird auch immer mehr zum Transitland, zur lärmenden, stinkenden Verkehrsachse Europas und selbst die umweltfreundliche Bahn bringt massive Probleme. Die Flughäfen werden erweitert und ausgebaut. Neue landschaftsfressende Straßen und andere Verkehrswege, aus nationalen Interessen jeweils doppelt, auf beiden Rheinseiten geplant, werden realisiert und die europäischen Verkehrsströme durch unsere Heimat gelenkt. Der sechsspurige Autobahnausbau Richtung Basel ist eine Provokation für unsere Nachbarn in der Schweiz.

Anlagen und Projekte, die im eigenen Land schwer durchzusetzen sind, werden jetzt einfach beim europäischen Nachbarn realisiert, das Lohngefälle wird genutzt, Dreck und Gefahren werden exportiert.

Umweltverschmutzung und Klimaveränderung, aber auch soziale Probleme und Innenenweltverschmutzung in den Städten (nicht nur) am Oberrhein sind die Folgen einer Gesellschaft, die Quantität über Qualität setzt, die glaubt, die selbst geschaffenen Probleme nur mit immer mehr Wachstum in den Griff bekommen zu können. Selbst knapper werdende Rohstoffe und die erkennbaren Folgen des Klimawandels führen nicht zu einschneidenden Änderungen der Politik.

Im Zusammenhang mit 50 Jahren Europäischer Verträge wird bei den Festtagsreden manchmal auch die gemeinsame Europäische Verfassung angesprochen.

Auch im Elsass haben manche Europäer, wie beispielsweise Jean Jacques Rettig, die lange Jahre mit Herzblut für Europa und die Umwelt gestritten haben, den Verfassungsentwurf gründlich studiert und zutiefst traurig abgelehnt. Sie wollten kein neoliberales Europa der Konzerne, kein Europa der Umweltzerstörung, in dem die Menschen gegeneinander ausgespielt werden.

Wir wollen ein ökologisches und soziales Europa der Menschen und Regionen und darum sollte der alte Verfassungsentwurf noch einmal gründlich überarbeitet werden. Teure Werbekampagnen machen schlechte Entwürfe nicht besser.

50 Jahre Europa und Europäische Verträge sind durchaus ein Grund zu feiern. Mit Jubelfeiern ohne Kritik, ohne Debatte aber wird sich Europa nicht weiterentwickeln.

Axel Mayer
BUND-Geschäftsführer / Vizepräsident Trinationaler Atomschutzverband (TRAS)








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Dieser Artikel wurde 3675 mal gelesen und am 26.4.2019 zuletzt geändert.