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Antibiotikaresistenz - Ursachen: Gier, falsche Anwendung, Massentierhaltung und Produktion in Asien / Indien


Antibiotikaresistenz - Ursachen: Gier, falsche Anwendung, Massentierhaltung und Produktion in Asien / Indien





Antibiotika-Resistenzen 33.000 jährliche Tote in Europa.
Die einstige "Wunderwaffe" gegen Infektionen verliert an Wirkung: Antibiotika können längst nicht mehr alle Bakterien bekämpfen. Die Folgen sind dramatisch, wie eine Studie belegt. Sie sind gefährlicher als Grippe, Tuberkulose und HIV zusammen: Antibiotika-resistente Bakterien verursachen allein in Europa etwa 33.000 Todesfälle. Jahr für Jahr. Das belegt ein europäisches Forscherteam in einer Studie, die 2018 im Fachblatt "The Lancet Infectious Diseases" erschien.

Die Wissenschaftler hatten Infektionen aus 30 Ländern der Europäischen Union und des europäischen Wirtschaftsraumes ausgewertet. Sie konzentrierten sich dabei auf acht verschiedene Bakterienarten, die Resistenzen auch gegen antibiotische Kombi-Präparate aufweisen. Die Keime verursachen etwa Harn- und Atemwegsinfekte, Infektionen der Blutbahn und an Operationswunden. Bei Patienten, die sich damit infizieren, schlagen die entsprechenden Antibiotika nicht an. Manchmal werden noch wirksame Antibiotika auch zu spät verabreicht, weil die Resistenzen nicht frühzeitig genug erkannt werden. Dann können eigentlich harmlose Infektionen schlimmstenfalls tödlich verlaufen.

Experten prognostizieren, dass sich die Zahl der Todesopfer durch antibiotika-resistente Keime bis 2050 verzehnfachen könnte. Wenn nichts unternommen wird, könnten diese Erreger jedes Jahr zehn Millionen Menschen töten. Antibiotikaresistenz wäre die weltweite Todesursache Nummer eins.

Antibiotikaresistenz: Massives Problem für Alle
Zunehmend ist unsere Medizin aufgrund der sogenannten Antibiotikaresistenz gegen Bakterien machtlos. Es häufen sich die Fälle, bei denen sich die krankhaften Bakterienstämme nicht mehr durch die bisherigen Antibiotika bekämpfen lassen. Besonders alarmierend sind diejenigen Bakterien, die nicht gegen ein bestimmtes Antibiotikum, sondern gleich gegen mehrere Präparate resistent sind. Im schlimmsten Fall kann eine durch multiresistente Erreger verursachte Infektion bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem zum Tod führen. Allein 2015 hatten sich mehr als 670.000 Menschen mit den untersuchten Bakterien angesteckt, 33.110 von ihnen sind haben die Erkrankung nicht überlebt.

Antibiotikaresistenz - Ursachen: Falsche Anwendung, Gier, Massentierhaltung und Produktion in Asien / Indien


  • Falsche Anwendung:
    Ein Problem sind die überflüssigen Verordnungen sowie Einnahme von Antibiotika. Dies führt auch bei uns dazu, dass sich Resistenzprobleme vergrößern. Die Resistenz entsteht daher hauptsächlich aufgrund einer falschen Anwendung.

  • Massentierhaltung
    Jährlich verkaufen Pharma­firmen 742 Tonnen Antibiotika an TierärztInnen (Stand September 2017, BVL). Unklar ist, wie diese Antibiotika-Mengen konkret verbraucht werden. Es ist eine sehr umfangreiche Statistik, die vom Hamster bis zum Mastschwein reichen kann. Für nicht-Lebensmittel liefernde Tiere wie Reitpferde oder Hunde und Katzen werden ca. ein Prozent davon eingesetzt (BVL 2012). Zwar geht der Verbrauch kontinuierlich zurück, allerdings werden mehr Reserveantibiotika im Vergleich zu 2011 an TierärztInnen abgegeben. Diese Notfallmedikamente sollten eigentlich für Menschen reserviert sein. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des BUND hat ergeben, dass 85 Prozent den Einsatz von Reserve-Antibiotika in der Nutztierhaltung verbieten wollen. Die resistenten Bakterien können die VerbraucherInnen dann über unterschiedliche Wege erreichen. Sie können, u.a. durch unsaubere Verarbeitung in den Schlacht- und Zerlege­betrieben, bis zum Endprodukt erhalten bleiben. Sie werden also mitgekauft und eventuell mitverzehrt, falls z.B. das erworbene Stück Fleisch nicht hygienisch verarbeitet und ausreichend erhitzt wurde. Quelle: BUND

    Völlig gesunden Tieren werden die Medikamente verabreicht, damit die Tiere schneller schlachtreif werden und um Krankheiten vorzubeugen, die nur durch die Massentierhaltung entstehen. 2016 kamen 80 Prozent der in den USA verabreichten Antibiotika in der Tiermast zum Einsatz. 13 Milliarden Euro setzte die US-Pharmaindustrie zuletzt mit den dort verabreichten Antibiotika um.

    Umweltskandal in Deutschland


    In Deutschland werden drei von acht der von der WHO als Reserveantibiotika definierten Mittel in der Tiermast eingesetzt. Dabei sollen genau diese Mittel ausschließlich der Humanmedizin vorbehalten sein. Hier zeigt sich ein massives Versagen der Politik vor der Macht der Agrarchemielobby.

  • Globalisierung und Antibiotika-Produktion in Asien / Indien
    Im Rahmen Globalisierung und der "Geiz ist geil"-Mentalität wurde die Produktion von Antibiotika in "Billigproduktionsländer", insbesondere nach Indien und China verlagert.
    Rund um Fabriken in Indien, wo fast alle großen Pharmakonzerne (auch Ratiopharm, Hexal und Stada) produzieren lassen, sind große Mengen an Antibiotika in der Umwelt. So entstehen gefährliche, resistente Erreger, die sich global ausbreiten. Das zeigen Recherchen von NDR, WDR und der "Süddeutschen Zeitung".
    So bekommen wir durch eine nicht menschengerechte Globalisierung "billige Antibiotika" aus Asien, die hier teuer verkauft werden. Mit diesem Import importieren wir aber auch multiresistente Erreger und Tod.


Wissenschaftler von der University of York haben im Jahr 2019
Flüsse wie die Donau, den Mekong, die Themse, die Seine oder den Tigris in 72 Ländern auf allen Kontinenten nach 14 weit verbreiteten Antibiotika untersucht und sind darauf gestoßen, dass Antibiotika, oft in hohen Konzentrationen, in vielen Flüssen zu finden sind.
Gefunden haben sie Antibiotika-Konzentrationen in Flüssen in Bangladesch, die die als unbedenklich oder sicher geltende Konzentration um das 300-Fache übersteigen. Das ist der Fall bei Metronidazol, einem Antibiotikum gegen Haut- und Mundinfektionen, das die höchste Belastung verursacht. In der Themse und einem ihrer Zuflüsse wurde eine maximale Antibiotika-Konzentration von 233 Nanogramm pro Liter gemessen, in Bangladesch war sie um 170 Mal höher.

Notwendige Ursachenforschung zur Antibiotikaresistenz und ihre Probleme
Bei Themen wie Klimawandel, Holzschutzmittelgifte, Contergan und Asbest waren die Ursachen teilweise jahrzehntelang bekannt und eine industriegelenkte Ursachenforschung, verbunden mit Verharmlosungs-Kampagnen, hat Maßnahmen zur Schadensbegrenzung jahrelang verzögert und verhindert. Dies hat bei Holzschutzmittelgiften, Contergan und Asbest zu Krankheit und Tod vieler Menschen geführt.

Die Ursachen für die zunehmende, bedrohliche Antibiotikaresistenz sind bekannt. Es sind falsche Anwendung, Gier, Massentierhaltung und Produktion in Billigländern mit niedrigen Umweltstandarts.
Hier muss der Druck der Umweltbewegung verstärkt werden, gerade auch auf Firmen wie Ratiopharm, Hexal und Stada.


Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer

Das Umweltbundesamt empfahl im November 2018, dass diese sieben prioritäre Handlungsfelder von der EU und den Mitgliedsstaaten angegangen werden:



  • Prävention: Der Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin sollte auf das medizinisch notwendige Maß beschränkt werden.
  • Kommunikation: Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Landwirte müssen über das Thema Antibiotika in der Umwelt und insbesondere über die korrekte Entsorgung von Antibiotikarückständen informiert und geschult werden.
  • Zulassung von Antibiotika: Entwicklung und Umsetzung von Bewertungsmethoden und Kriterien für Antibiotika und Antibiotikaresistenzen.
  • Direkte und indirekte Einleitung von Kläranlagen (kommunal und industriell): Identifikation von Hotspots für die Freisetzung von Antibiotika und Antibiotikaresistenzen. Verbesserung der Technologie in Kläranlagen. Zusammenstellung der Produktionsstandorte und Untersuchung der Emissionen aus Produktionsanlagen.
  • Oberflächengewässer/Badegewässer/Grundwasser: Entwicklung von Überwachungsrichtlinien und Bewertungskonzepten für die Überwachung der Antibiotikaresistenz in Oberflächen- und Badegewässern. Reduktion des Eintrags von Antibiotikaresistenzen in Oberflächen- und Badegewässer, z. B. durch die Verbreiterung von Uferstreifen und die Ausweisung von Wasserschutzzonen.
  • Düngemittel, die in der Landwirtschaft verwendet werden: Durchführung einer bedarfsgerechten Düngung. Verbot des Aufbringens von unbehandeltem Klärschlamm auf den Boden und Verwendung von Klärschlamm für die Rückgewinnung von Phosphor.
  • Boden: Überwachung der Verbreitung von Antibiotikarückständen und antibiotikaresistenten Bakterien an ausgewählten Ackerflächen. Definition vorsorglicher Grenzwerte für Antibiotika, Zink und Kupfer im Boden.


Quelle: UBA: Antibiotika und Antibiotikaresistenzen in der Umwelt



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  • 3) Im Zweifel ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte immer noch eine gute Quelle zur Orientierung.











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Dieser Artikel wurde 7840 mal gelesen und am 25.1.2022 zuletzt geändert.