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Fessenheim (F) | Beznau (CH): Hintergrundinformationen zur aktuellen Debatte um neue Atomkraftwerke

30.04.2004
An die Medien



Immer mehr Medien berichten über die aufziehenden Konflikte um neue Standorte für Atomkraftwerke, u. a. in Fessenheim und Beznau. Zu diesem wichtigen Themenkomplex, der uns und Sie vermutlich die nächsten Jahrzehnte begleiten dürfte, senden wir Ihnen eine umfangreiche Hintergrundinformation des BUND Regionalverbands Südlicher Oberrhein.

"Der EPR ist zehn mal sicherer, als die herkömmlichen Atomkraftwerke" (Zitat der konservativen französischen Industrieministerin Fontaine). "Das klingt doch recht erstaunlich", meint BUND Geschäftsführer Axel Mayer. Wurde uns nicht jahrzehntelang eingetrichtert, die bisherigen AKW`s seien zu hundert Prozent sicher?

Während die Umweltbewegung in Deutschland, eingeschläfert vom Atomausstieg, auf die Abschaltung der Atomanlagen setzt, bereiten im Hintergrund die Atomkonzerne EnBW, RWE, Eon, Vattenfall, EDF, Siemens und Areva die Durchsetzung neuer Atomkraftwerke in Europa vor. Die Planung des Euroreaktors wird von der EDF und der EnBW mit unseren Stromgeldern finanziert, solange wir dort Strom beziehen. Gebaut werden soll er von Siemens und Areva.

Die neuen sanften Durchsetzungsstrategien für den Euroreaktor

Ab 2005 muss in Europa ein Großteil der konventionellen Kraftwerke ersetzt werden. Siemens und Areva sind daran interessiert, den Fuß auf dem weltweiten Nuklearmarkt in der Tür zu halten; es geht bei dem EPR nicht nur um einen Reaktor in Frankreich, sondern um ein vorzeigbares Referenzmodell für den Weltmarkt und ein hundert Milliarden Euro Geschäft.

Die Atomlobby hat aus ihren Niederlagen in Wyhl, Kaiseraugst, Gerstheim, Wackersdorf und Zwentendorf gelernt. Die alten Fehler werden nicht wiederholt. So läuft zur Zeit europaweit eine geschickte Akzeptanzkampagene für den "neuen, sicheren, umweltfreundlichen und nachhaltigen" Euroreaktor an. Die "nachhaltige, klimafreundliche Kernenergie" ist das Motto der anlaufenden millionenschweren Werbeaktion. Ausgerechnet die Energiekonzerne denen die Umweltbewegung in jahrelangen Auseinandersetzungen Entstickungs- und Entschwefelungsanlagen für ihre veralteten Kohlekraftwerke aufzwingen mussten, versuchen nun vorgeschobene Klimaargumente für die Atomenergie zu nutzen. Auch der Versuch, über den Konflikt um die Windenergienutzung die Umweltbewegung zu spalten, geht in diese Richtung. Die Erinnerungen an die Reaktorunfälle in Tschernobyl (Ukraine), Harrisburg (USA) und Lucens (Schweiz) wurden erfolgreich verdrängt.

Fessenheim Beznau. Zwei mögliche Standorte für Euroreaktoren?

Der erste Standort soll in Finnland, der zweite in Flamanville liegen. Gesucht werden Standorte an denen mit einem geringen politischen Widerstand gerechnet wird. In einem kleinen Land wie Finnland kommt Geld, Macht und der Einfluß der Atomlobby voll zur Geltung. Es geht darum, an der schwächsten europäischen Stelle den Damm zu brechen, um dann auf den europäischen Neideffekt zu setzen. "Lieber ein schlechtes AKW in Deutschland, als ein genau so unsicheres Atomkraftwerk beim europäischen Nachbarn." ist das Motto, das geschickt an nationale Egoismen anknüpft... Auch so kann Globalisierung aussehen. Letztendlich sollen aber die altersschwachen französischen AKW`s ersetzt werden und in Deutschland hofft die Atomindustrie auf einen Regierungswechsel und auf die Atomparteien in Wartestellung. Es ist weltweit erstaunlich, dass es auffallend häufig konservative Parteien sind, die nicht nur in Sachen Gentechnik und Atomenergie gegen Mensch, Natur und Umwelt agieren.

Auch Fessenheim (F) könnte Standort für die neuen Reaktoren werden, denn das bestehende Kernkraftwerk ist das Älteste in Frankreich und zwei neue Reaktoren passen in den jetzt schon existierenden "Zaun". Dies erklärt auch die psychohygienischen Maßnahmen der Fessenheim-Betreiber im Jahr 2003. Dazu zählen die Großanzeigen in den regionalen Zeitungen, der Versuch sich mit einem zweifelhaften Umweltzertifikat (ISO 14001) zu schmücken und die Gründung des atomaren Umweltclubs "Au fil du Rhin".

Gegen den Standort Fessenheim spricht u.a. die potentielle Erdbebengefahr und der in dieser Region zu erwartende massive Widerstand der Bevölkerung auf beiden Rheinseiten.

Auch in der Schweiz hat die Debatte um neue Atomreaktoren in Beznau begonnen. Wenn bei Volksabstimmungen die AKW GegnerInnen nur einen Bruchteil der Finanzmittel der Atomlobby haben, dann kann die Atomindustrie solche Abstimmungen auch gewinnen, ist die undemokratische Lehre des letzten Jahres. Die wichtige und demokratiegefährdende Rolle des Geldes in der direkten Demokratie wird erstaunlich wenig öffentlich thematisiert.

Die Gefahren des Euroreaktors (kurze Zusammenfassung):

-Auch der neue EPR-Reaktor ist an jedem Standort gefährlich und abzulehnen

-Auch er produziert Atommüll, der eine Million Jahre sicher gelagert werden muss.

-In jedem AKW entsteht in einem Jahr für jedes Megawatt elektrischer Leistung ungefähr die kurz- und langlebige Radioaktivität von einer Hiroshima Bombe. Bei zwei Euroreaktoren à 1600 MW ist das im Jahr die Radioaktivität von 3200 Hiroshima Bomben. Und überall, wo Menschen arbeiten, gibt es auch unvorhersehbare Fehler.

-Der Euroreaktor ist groß statt sicher. Die elektrische Leistung von 1600 Megawatt stellt nach Ansicht der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) eine Abkehr von der einst geforderten "inhärenten Sicherheit" dar. Doch um die Stromkosten nicht völlig ausufern zu lassen, setzt man bei Siemens und Areva "mehr auf supergroß als auf supersicher".

-Der EPR verfügt nicht über genügend passive Sicherheitssysteme sondern setzt immer noch auf störanfällige Armaturen und Pumpen mit Motorantrieb, die bei einem Ausfall der Stromversorgung versagen.

-"Die wesentliche Neuentwicklung des Europäischen Druckwasser-Reaktors ist ein Auffangbecken, in das - im Falle einer Kernschmelze - diese abfließen und gekühlt werden soll. Die IPPNW hält auch dieses zentrale Sicherheitssystem für nicht überzeugend. Einerseits müsste das Becken absolut trocken sein wenn sich die Schmelze darin ausbreiten soll, weil es sonst zu gefährlichen Dampfexplosionen kommen könnte. Andererseits müsste zur Kühlung der Kernschmelze diese anschließend gezielt mit Wasser bedeckt werden, was aber die gefürchteten Dampfexplosionen geradezu herbeiführen kann." (Zitat IPPNW)

-Auch für den EPR werden Menschen in Uranbergwerken und durch radioaktive Emissionen in der Umgebung von AKW`s, Wiederaufarbeitungsanlagen und Urananreicherungsanlagen sterben.

-Die weltweiten Uranvorkommen sind begrenzt

-Der EPR gibt, wie jedes AKW, auch im so genannten Normalbetrieb radioaktive Stoffe an die Umwelt ab.

-Der Euroreaktor als geplanter Exportartikel erhöht die Gefahr, dass neue Staaten in den Besitz von Atomwaffen gelangen. "Aus der Vergangenheit, dem Export eines AKWs an den Irak, werden keine Lehren gezogen", meint Jean-Jacques Rettig vom französischen Umweltverband CSFR. "Wer AKWs betreibt, kann auch Atombomben bauen. So gefährden EDF, EnBW, Siemens und Areva für kurzfristige Gewinne den Weltfrieden".

-Die Planungen für den EPR begannen lange vor dem 11. September 2001. Einem jederzeit möglichen Terroranschlag mit modernen Waffen könnten sie nicht standhalten. Ein Terroranschlag oder ein Reaktorunfall könnten große Teile Zentraleuropas dauerhaft unbewohnbar machen. Ein Land mit AKW`s ist erpressbar.

-Auch in einem Euroreaktor ist eine Kernschmelze möglich. "Siemens und Areva versuchten auf der Basis des ökonomisch Machbaren eine Lösung gegen die Gefahr eines Super-GAUs (schwerer Kernschmelzunfall mit massiver Freisetzung von Radioaktivität) zu finden; doch keine der geplanten technischen Vorkehrungen kann als 'Lösung' bezeichnet werden: So sind die Sicherheitsvorkehrungen innerhalb des EPR gegen eine unkontrollierte Kernschmelze allesamt auf 'Niederdruckkernschmelzen' ausgelegt. Ihre Funktionsfähigkeit ist sehr umstritten". (Zitat Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz - BBU)

Was tun?


Engagement ist nötig. Der Kampagne der Betreiber muss Widerstand entgegengesetzt werden. Immer noch kaufen Millionen von umweltbewußten Menschen Produkte beim Atomkonzern Siemens. Viele beziehen ihren Strom bei Atomkonzernen wie Eon, EnBW, RWE, Vattenfall, oder deren so genannten, "Umwelttöchtern". Das könnte sich bei der Einführung des Euroreaktors ändern, denn es gibt häufig günstigere atomstromfreie Alternativen wie die Elektrizitätswerke Schönau. Gewaltfreier Widerstand heißt aber immer auch Druck an den möglichen Standorten, Widerstand in Gorleben und Druck auf die Atomparteien und die in Sachen Atom zu verschlafenen Regierungsparteien in Deutschland. Grenzüberschreitende Aktionen und Zusammenarbeit sind nötiger denn je, denn hier werden die Menschen gegeneinander ausgespielt

Es gilt aber auch, die Alternativen zu den rückwärts gewandten Projekten der Atomindustrie aufzuzeigen. Eine zukunftsfähige, nachhaltige und klimafreundliche Energiepolitik muss auf einer Kombination aus Dezentralität, Kraft-, Wärmekopplung, regenerativen Energiequellen und Energie sparen bestehen.

Axel Mayer (Geschäftsführer)


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Dieser Artikel wurde 3537 mal gelesen und am 2.5.2011 zuletzt geändert.