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Stocamine: Schlimmste Grundwasserverschmutzung am Oberrhein ist auch nach Schließung der Kaliminen nicht zu Ende

21.10.2002




Stocamine und elsässische Kaliminen

Nach beinahe hundert Jahren Betrieb müssen die letzten elsässischen Kaliminen bei Mulhouse jetzt schließen. Der mehrwöchige Brand des nach Betreiberangaben "nicht brennbaren" Giftmülls hat zu einer toxischen Belastung der MDPA Bergwerke geführt, die eine Weiterführung des Kaliabbaus nicht mehr möglich macht. Da die Stocamine weder über Brand- noch Rauchmelder verfügte, hatten die Kumpel der benachbarten Grube den gefährlichen Brand als Erste bemerkt. Dies war auch der Grund, warum der BUND der Geschäftsführung von Stocamine einen Rauchmelder (sechs Euro!) schenkte. 680 Bergleute werden jetzt vor dem offiziellen Ende des Bergbaus arbeitslos.

Mit der Schließung der letzten Grube im Kalibecken bei Mulhouse geht ein historisch faszinierendes und gleichzeitig unglaublich zerstörerisches Kapitel Industriegeschichte am Oberrhein zu Ende. Nach knapp 100 Jahren Kaliabbau sind große Teile des Grundwassers am Oberrhein für Jahrhunderte ungenießbar. Selbst auf der deutschen Rheinseite finden sich teilweise 50 Gramm Salz im Liter Grundwasser.

Im Jahr 1910 wurde in der Grube Amélie, der ältesten Mine im Oberelsass, die Förderung des Kalisalzes aufgenommen. Das anfallende Steinsalz wurde als "Abfall" aufgehaldet. Das Salz wird seit Jahrzehnten durch den Regen ausgespült und führte so zu einer unglaublichen Grundwasserversalzung von Mulhouse bis Sélestat in Frankreich und von Bremgarten bis Breisach auf der deutschen Rheinseite (siehe Karte auf der BUND- Homepage).

Wenn die Schäden durch den Kaliabbau im badischen Buggingen geringer sind als in Frankreich, dann hat das nur mit den geringeren Kalivorkommen auf der badischen Rheinseite zu tun, denn geschlampt wurde und wird auch hier.

Doch die massive Versalzung des Grundwassers auf der badischen Rheinseite zwischen Bremgarten und Breisach ist indirekt auf die Kaliberge bei Mulhouse zurückzuführen. In einer offenen Betonrinne, einer Todesfalle für Wildtiere, wird seit Jahrzehnten hochkonzentrierte Salzlauge in den Rhein geleitet. Am AKW Fessenheim vorbei fließt die Salzbrühe in den kanalisierten Rhein. Bis zu 350 Kilogramm Salz pro Sekunde wurden vor wenigen Jahrzehnten noch eingeleitet. Noch 1991 strömten so in jeder Sekunde 115 Kilogramm Salz in die Haupttrinkwasserader von Millionen Europäern - jährlich 3,6 Mio. Tonnen Natrium-Chlorid. Erst durch massiven juristischen Druck der holländischen Umweltschützer und der Wasserwerke am Rhein wurde diese eingeleitete Menge reduziert.

In der Zeit von 1957 bis 1976 gab es auf der Fessenheimer Rheininsel, gegenüber von Bremgarten, undichte, offene Zwischenlagerbecken für 520 000 m³ hochkonzentrierte Salzlauge. Diese großen Salzwasserbecken sollten sich nach Ansicht der "Experten" durch den im Salzwasser enthaltenen Lehm selbst abdichten. Leider hatten sich die "Experten" geirrt: Eine Million Tonnen Salz sind durch diese unglaubliche Schlamperei der Betreiber der Kaliminen, der Experten und der Kontrollbehörden "einfach so" ins Grundwasser versickert.

Wenige Kilometer unterhalb der Fessenheimer Rheininsel finden sich auch in Südbaden bereits jetzt bis zu 50 Gramm Salz in einem Liter Grundwasser - Meerwasser enthält im Schnitt nur 35 Gramm! Diese Salzlauge fließt ca. 100 Meter unterhalb der Geländeoberkante langsam nach Norden. Die verdünnte Spitze der Salzfahne bereitet der Wasserversorgung in Breisach langsam Probleme.

Aus diesen Gründen hatte BUND-Geschäftsführer Axel Mayer am 22.12.1997 die Verursacher des Umweltskandals (Mines de Potasse d'Alsace und die Kali Salz AG) auf beiden Rheinseiten angezeigt. Die französische Staatsanwaltschaft hat das Verfahren mit folgender fadenscheinigen Begründung eingestellt: "Der BUND ist selbst nicht betroffen und er ist auch kein französischer Umweltverband." Das Verfahren in Sachen Buggingen und Kali Salz AG läuft noch und hat zu einer Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung geführt. Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, mit welcher Konsequenz in beiden Ländern kleine Umweltsünder verfolgt werden und wie mutlos Behörden, Gerichte und Politik auf solche Skandale und Umweltverbrechen reagieren. "Je grösser der Schaden, je mächtiger der Verursacher, desto weniger wird das Verursacherprinzip durchgesetzt." sagt BUND- Geschäftsführer Axel Mayer. Wer nach der Schließung der Kaliminen für die absehbaren Schäden an der Breisacher Wasserversorgung aufkommen wird, ist ungewiss.

Es ist mehr als makaber, dass ausgerechnet ein Brand "nichtbrennbareren Giftmülls" diesem unrühmlichen Kapitel regionaler Industriegeschichte ein vorzeitiges Ende bereitet. Elsässische Umweltgruppen und der BUND hatten vor der Inbetriebnahme der Stocamine gewarnt. "Wer mit Salz nicht umgehen kann, soll die Finger vom Giftmüll lassen" sagte BUND Geschäftsführer Axel Mayer bei der Inbetriebnahme der Stocamine.

Mit dem Ende des Kaliabbaus ist ein Ende der Folgeschäden im Grundwasser nicht abzusehen. Die Salzhügel werden zur Zeit gezielt ausgewaschen und das Salz in den Rhein geleitet. Bei diesen "Sanierungsarbeiten" sind Fehler aufgetreten, die zu einer weiteren Belastung des Grundwassers geführt haben.

Der BUND schließt sich der Forderung von Alsace Nature nach einer Schließung der Giftmülldeponie Stocamine an.

Hintergrundinfos und Grundwasserkarten finden Sie und Ihre LeserInnen unter:

www.bund-freiburg.de

Mehr Informationen über Stocamine finden Sie mit Hilfe der Suchfunktion auf der BUND Homepage






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Dieser Artikel wurde 7136 mal gelesen und am 23.11.2016 zuletzt geändert.