Diese Seite ausdrucken

Rede zur Verabschiedung von Jean Paul Lacote in den Ruhestand

22.02.2011

Jean Paul Lacote auf dem Fahrrad


Lieber Jean Paul,
liebe Helga,
lieber Vorstand,
liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im BUND-Team,
liebe Freundinnen und Freunde von Jean Paul,

Jean Paul ist in Rente gegangen.
Dies ist ein heftiger Einschnitt für Jean Paul, aber auch für den BUND
und Grund genug für eine kleine Rede.

(Auch wenn ich berüchtigt dafür bin bei BUND-Weihnachtsessen keine Reden zu halten.)

Wo anfangen?

Ich erinnere mich, dass wir beim BUND einmal ein Diktiergerät hatten.

So ein richtiges, altmodisches Diktiergerät und einen Computer mit einem Prozent der Leistung von der, die unsere 4 Computer heute haben.

Am Computer und am Diktiergerät saß Patrizia, die Vorgängerin von Jean Paul.

1994 hat Patrizia gekündigt und wir brauchten eine neue Sekretärin.

Es war für den damaligen Vorstand keine einfache Entscheidung;

Jean Paul, einer der Bewerber, hatte den denkbar buntesten Lebenslauf:

er war u.a.:
Fliesenleger, Hausmann, Wirtschafts-, Sozial- und Erziehungswissenschaftler,
Schauspieler, Sprachlehrer, Sozialarbeiter, Angestellter der franz. Forstverwaltung (Auszüge aus dem Bewerbungsschreiben).
Er war uns aber auch als Umweltaktivist (Flachglasfabrik, Fessenheim) bekannt. Auch eine Karriere als Rugbyspieler bei Eintracht Frankfurt, wo er sich schon als Kleinster gerne mit
den Größten (ca. 200 cm und 120 Kg) anlegte, hatte er hinter sich, sowie eine Zeit als Maler und als Pantomime.
Es war keine einfache Entscheidung.

Wir haben uns für Jean Paul entschieden.

Aus der Sekretärin wurde ein Sekretär und das „schöne“ Diktiergerät kam zum Elektronikschrott.

Wir haben die unkonventionelle Entscheidung nie bereut,
Jean Paul hat in seinem beruflichen Leben das gemacht, was ihm wichtig war.

Es ist mir eine große Ehre, (ich gebrauche das Wort Ehre sehr selten) es ist mir eine große Ehre, dass es Jean Paul bei uns „bis zur Rente ausgehalten hat“.

Wir waren nicht immer einer Meinung,
aber ich kann mich an keinen Streit erinnern: Aus Kollegen wurden Freunde.

Nur alle Jahre habe ich ihn mit den gleichen dummen Fragen zum BUND-Haushalt fast in den Wahnsinn getrieben.

Kritikpunkte an Jean Paul? Mir fällt wenig ein.

-Als BUND-Mitarbeiter versucht man nicht, mit dem Fahrrad eine Straßenbahn umzuwerfen.

-Als BUND-Mitarbeiter verbrennt man keinen Abfall im Wald, insbesondere nicht
wenn der Abfall das eigene Auto ist und man nur knapp aus dem brennenden Auto herauskommt.

Mitarbeiter des BUND-Landesverbandes haben Jean Paul nach dem Unfall eine BUND-Postkarte mit einem Motiv aus Brandenburg geschickt.
(Ich glaube Helga, Jean Pauls Frau, war vom Humor dieser Postkarte nicht begeistert.)
Auf der Postkarte war eine wunderschöne Allee abgebildet,
darunter das BUND-Motto „Noch stehen die Alleen...“


Nach dem Unfall ging Jean Paul zur „Kur im Glottertal“.
Jean Paul ist der klassische „Nicht-Kur-Mensch“.
Bei einem Besuch klagte er, er habe „keine Lust sich mit dicken Menschen über das - Wie schmuggle ich Brötchen aufs Zimmer - zu unterhalten“

Bei meinem zweiten Kur-Besuch im Glottertal traf ich Jean Paul beim Frühstück.
Am Tisch saßen dicke Menschen, aber „Jean Paul frühstückte mit Walkman...“

Grob vereinfacht bestand Jean Pauls Arbeit aus zwei Teilen:

-Einem notwendigen, mühsamen, unspannenden Verwaltungsteil
(Jean Paul war als Buchhalter für die Finanzverwaltung der Ökostation und der BUND-Geschäftsstelle
zuständig.)

-Und dann war Jean Paul für den BUND immer auch „Secrétaire Général“, unser Verbindungsglied ins
Elsass, zur SPD, Fessenheimkontrolleur und französisch-deutscher Umweltaktivist.

Die notwendige, mühsame, anstrengende, unspektakuläre Verwaltungsarbeit hat Jean Paul perfekt erledigt.

Es gab immer mal wieder externe und interne Kontrollen und Prüfungen, von Kassenprüfern, Finanzamt und Krankenkassen und es gab nie Beanstandungen.

Das ist ungeheuer wichtig.

Wir sitzen im Glashaus, wir legen uns unbefangen mit mächtigen Gegnern an -
da muss die Kasse stimmen damit wir nicht angreifbar sind.

Jean Paul war in Sachen Finanzverwaltung einfach gut.

Ja und dann gab´s noch den umweltpolitischen „Secrétaire Général“.

-Ich denke an unsere beiden Sommer im Gen-Camp in Buggingen
(wie war das alles organisatorisch neben der „normalen Arbeit“ möglich?).

-Jean Paul war immer auch das Verbindungsglied zwischen BUND und Alsace Nature, zwischen deutscher
und französischer Umweltbewegung.

-Ich denke an Jean Paul als „Kontrolletti“ für Fessenheim und den Giftmüllofen der Tredi.

-Ich denke an Jean Paul als Ansprechpartner für französische Medien und SPD.

-Jean Paul war immer auch Verbindungsglied BUND-RV – BUND-Ökostation.

Ich habe die Hoffnung, dass uns Jean Paul zukünftig vielleicht als ehrenamtlicher Außenminister erhalten bleibt.

Was würde ich heute anders machen?
Es klingt blöd, wenn der Geschäftsführer das sagt.

Aber evtl. sollten wir „nicht nur arbeiten“.
Was es nicht gab, ist der büro-übliche „Klatsch und Tratsch“.
Es gab fast keine büro-üblichen gemeinsamen Kaffeepausen.

Gemeinsames Kaffeetrinken war immer „Dienstbesprechung mit Arbeitsplan“.
Manchmal hat die „Ökologie des Lebens und Arbeitens“ gefehlt.

Das würde ich heute evtl. anders machen.

Irgendwann gehen wir wohl alle in Rente
und es stellt sich die Frage,
die sich sicher auch Jean Paul stellt:
Was bleibt wenn wir gehen?

Wir BUND-MitarbeiterInnen (RV & Ökostation)
sind da in einer durchaus privilegierten Situation.
In einer Welt, in der immer dümmere und idiotischere Produkte hergestellt werden,
in einer Welt, in der Bürokratie und unnötige, unnütze, zerstörerische Arbeit zunimmt, sind wir privilegiert, weil wir einer gesellschaftlich nützlichen, sinnvollen Arbeit nachgehen können und dürfen.

Aber auch eine gute, nützliche, sinnvolle Arbeit kann erschöpfen und ermüden.

Auch bei einer guten, sinnvollen Arbeit ist es gut, irgendwann eine Ende zu setzen, in Rente zu gehen, sich um das Enkelkind zu kümmern und zurückzuschauen.

Und Jean Paul wird auch in Rente dem Umweltschutz am Oberrhein und der Kommunalpolitik in der SPD erhalten bleiben.

Was bleibt, wenn wir in Rente gehen?

Es gibt viele Erfolge, die aber in der Umweltbewegung stets im Team erreicht werden:

-Ohne Menschen wie Jean Paul stünden in Fessenheim 2 Euroreaktoren.

-Ohne Jean Pauls Arbeit wäre die Flachglasfabrik in Homburg eine Dreckschleuder ohne Entstickungsanlage.

-Ohne Menschen wie Jean Paul wäre hier am Oberrhein Genmais ausgesät worden.

Das sind große regionale Erfolge für Mensch, Natur und Umwelt -
das klingt aber nicht nach „der großen ökologischen Revolution“.

Was Jean Paul erreicht hat,
was wir mit Jean Paul zusammen erreicht haben ist die Entschleunigung globaler Zerstörungsprozesse.

Das ist viel und das ist zu wenig ...

Ich will „Danke“ sagen:


Danke für das Team,
Danke für den Vorstand,
Danke für den BUND.

Jean Paul geht in Rente,
er wird uns als Aktivist und als Freund erhalten bleiben.


Axel Mayer


hier noch ein netter BZ-Artikel über den Unruheständler Jean Paul Lacote






[artikel=IMPORT: Umzug]


Eine kleine Auswahl: Reden von Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer, Kreisrat, Vizepräsident TRAS


Die alemannischen Redebeiträge und die Vorträge finden Sie unten auf dieser Seite



















Richtig wichtig! Ihnen gefällt diese Seite? Legen Sie doch einen Link:
<a href="http://www.bund-rvso.de/jean-paul-lacote.html">Rede zur Verabschiedung von Jean Paul Lacote in den Ruhestand</a>

Weitersagen
Twitter Facebook

Dieser Artikel wurde 9845 mal gelesen und am 28.3.2017 zuletzt geändert.