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Maiswurzelbohrer, Gift & Fruchtfolge: Die unendliche Geschichte

01.07.2019

Maiswurzelbohrer, Gift & Fruchtfolge: Die unendliche Geschichte



Die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers bedroht Grundwasser und Umwelt am Oberrhein
(die alte Presseerklärung vom 18.8.2003 finden Sie unten auf dieser Seite)


Erneut dürfen viele Landwirte in der Region am Oberrhein nicht mehr Jahr für Jahr Mais anbauen. Hintergrund ist die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers mit Fruchtfolgen. Der Schädling wurde in den vergangenen Jahren in Pheromonfallen vermehrt nachgewiesen, obwohl teilweise seit dem Jahr 2010 Fruchtfolgen angeordnet waren...

Erneute Allgemeinverfügung gibt es jetzt in den Landkreisen Lörrach, Emmendingen, dem Ortenaukreis und Rastatt, melden im Juni 2019 die Medien.
Die neuere Verordnung gilt bereits seit 2017, sie wurde aktuell bis 2022 verlängert. Doch warum nimmt die Zahl der Maiswurzelbohrer nicht ab?

Der BUND vermutet, dass sich bisher nicht alle Landwirte an die alte Verfügung gehalten haben und dass von den Behörden nicht kontrolliert wurde, denn auf der Karte des Ministeriums für Ländlichen Raum sind laut Medienberichten die Fangzahlen für den Maiswurzelbohrer einzusehen – die Region zwischen Kandern und Lahr ist dabei rot gekennzeichnet.

In der aktuellen Medien-Berichterstattung spielt der Widerspruch zwischen den bisherigen Verboten und der Zunahme des Problems leider keine Rolle. Ein wenig erinnert das alles an die unendliche Geschichte der Grundwasser-Nitratwerte und ihrer „Bekämpfung“ oder an die unsägliche 30-Jahre-Debatte zum Klimawandel.

Die Geschichte des Maiswurzelbohrers am Oberrhein spiegelt die Geschichte fast aller Umweltprobleme:
Ein Problem tritt auf, es wird falsch (mit Gift) bekämpft, der BUND fordert ökologische Lösungen, die Probleme und Kollateralschäden (Insektensterben) verstärken sich, nach langem Warten wird die alte BUND-Forderung viel zu zögerlich umgesetzt, aber nicht kontrolliert...

Im Jahr 2003 wurden in einer - von Alsace Nature und BUND heftig kritisierten - beinahe militärisch anmutenden, "Abwehrschlacht" im Elsass über 1,5 Tonnen Insektizide per Hubschrauber ausgebracht. Auch auf der deutschen Seite wurde ein Gebiet entlang des Rheins mit Insektiziden vorsorglich "behandelt". Heute zeigt sich dass, wie damals von Umweltschützern befürchtet, der „chemische Ausrottungsversuch“ vergeblich war.

Später war der Käfer auch in Südbaden angekommen. Seine Bekämpfung mit falsch angewendetem Bayer–Gift, den berüchtigten, insektenvergiftenden Neonicotinoiden, hat 2008 zu einem massiven Bienensterben am Oberrhein geführt.

Die vom BUND-Regionalverband seit Beginn des Auftretens 2003 vorgeschlagene Bekämpfung des Käfers mit Fruchtfolge war und ist die einzige realistische Alternative zum Gifteinsatz. In der Schweiz wird diese giftfreie Bekämpfung schon jahrelang sehr erfolgreich praktiziert, allerdings bekommen die Landwirte in der Schweiz auch erheblich mehr Geld für ihre landwirtschaftlichen Produkte. Eine deutsche und EU-Agrarpolitik, die nicht auf Gift, Agrarfabriken und Bauernsterben setzen würde, hätte nicht nur dieses Problem schon lange ökologisch und ökonomisch sinnvoll gelöst.

Wir freuen uns (wieder einmal) über die erneute Allgemeinverfügung und die angekündigte, sinnvolle Fruchtfolge, gerade auch in Zeiten des globalen und regionalen Insektensterbens, sind aber auch verärgert, dass es so lange braucht, bis sich die giftfreie Variante durchsetzt.

Wir fordern eine strenge Kontrolle der Einhaltung der Fruchtfolge. Der Maiswurzelbohrer lässt sich nicht ausrotten. Durch Fruchtfolgen lässt sich der Schaden aber wesentlich stärker minimieren als mit Gift. das heißt für den BUND, dass auch nach dem Jahr 2022 diese einzig sinnvolle Maßnahme beibehalten werden muss.

Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer, 1.7.19

Nachtrag:
(Dieser Nachtrag zeigt die ökologisch/ökonomische Vernunft von Fruchtfolgen und wirft die Frage auf, warum die Durchsetzung der Vernunft so lange braucht)
RP Freiburg Ref.33 / Pflanzenschutzdienst Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Maiswurzelbohrer Ø Wirkungsgrade verschiedener Verfahren:
  • Fruchtwechsel (kein Mais): ca. 98% (Krügener2011, JKI)
  • Käferbekämpfung: maximal Wirkung, opti. Witterung: 90%-in Deutschland sind keine Insektizide zugelassen!
  • Larvenbekämpfung: Insektizid-Bodengranulat: ca. 70 % -inD außer Notfallzulassung in Saatmais keine Zulassung!
  • Larvenbekämpfung: Insektizid-Saatgutbeize: ca. 60%, -es sind keine Saatgutbehandlungsmittel zugelassen


Quelle: Erneute Allgemeinverfügung




(Foto von Demo gegen Gifteinsatz bei der Bekämpfung des Maiswurzelbohrers im Elsass 2003 / Axel Mayer)


Die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers bedroht Grundwasser und Umwelt am Oberrhein (alte Presseerklärung vom 18.8.2003!

Beim Mais spielt sich derzeit im Elsass dramatisches ab. In der Umgebung des Flughafens Muhlhouse sind bei Blotzheim, Bartenheim und Village-Neuf Exemplare eines in der Region bisher unbekannten Maisschädlings gefangen worden. Auch im Baselbiet (CH) wurde der Käfer gefunden. Die Larve des Maiswurzelbohrers befällt die Maiswurzel mit der Folge, dass die ganze Pflanze abstirbt. Er ist nur schwer mit den bisher üblichen Insektiziden zu bekämpfen. Angesichts der herrschenden Maismonokultur reagieren die Verantwortlichen äußerst nervös und es sind drastische Massnahmen angekündigt worden: diskutiert werden u.a. die Vernichtung von Maisbestände in der betroffenen Region, Insektizidanwendung per Hubschrauber, weitere Massnahmen bis 40 (!) km um die Befallsregion. Der Insektizideinsatz mit sehr toxischen Stoffen hat bereits begonnen.

Eine Ausweitung des Befalls auch auf die Maismonkulturen auf der deutschen Seite des Oberrheins ist nicht auzuschließen.

Der Maiswurzelbohrer ist in den USA einer der bedeutendsten Maisschädlinge und verursacht dort jährlich ca. 1 Mrd. US Dollar an Schäden und Pflanzengift-aufwendungen.

"Weltweit werden etwa 20 Mill. ha Mais durch Maiswurzelbohrer,davon allein 13,5 Mill. ha in den USA, befallen. Davon werden jährlich ca. 5,2 Mill. ha Mais mit Insektiziden gegen Diabrotica behandelt. Diabrotica ist somit der Schädling, gegen den sich die meisten Insektizidapplikationen weltweit richten. In Deutschland kommt Diabrotica virgifera bisher noch nicht vor. Von den 1,5 Millionen ha Maisanbauflächen in Deutschland sind etwa 350.000 ha durch den Anbau von Mais nach Mais gefährdet. Bei einer Einschleppung und Verbreitung wären jährlich Schäden in Höhe von ca. 25 Millionen Euro zu erwarten" sagen die Warnhinweisen der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig.

Die Umweltschützer vom BUND und Alsace Nature hatten bereits in der Vergangenheit auf die Folgen des bisherigen Dünger- und Pestizideinsatzes beim Maisanbau und auf die massiven Folgen und Belastungen für das Grundwasser hingewiesen. Durch die chemische Bekämpfung des neuen Schädlings könnte sich dieses Problem noch weiter verschärfen.

Dennoch gibt es auch erfolgreiche biologische Methoden der Bekämpfung.
"Eine erweiterte Fruchtfolge ist eine wirksame und nachhaltige Bekämpfungsmaßnahme. Die Vermeidung des Anbaus von Mais nach Mais führt beim Schlupf der überwinterten Eier im Frühjahr dazu, dass die obligatorisch auf Mais angewiesenen Larven keine Nahrung vorfinden und absterben. Bei Fortführung der bisherigen Anbausysteme in Deutschland wären bei konventioneller Bekämpfung zur Vermeidung dieser Schäden bis zu 1.800 t Bodeninsektizide erforderlich." schreibt die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft.


Am Beispiel des Maiswurzelbohres zeigen sich die regionalen Folgen der Globalisierung besonders deutlich. Vermutlich wurde der Schädling durch den weltweiten Flugverkehr eingeschleppt. Die Landwirte am Oberrhein aber stehen im globalen Wettbewerb mit den Farmern, die unter "besseren Bedingungen" produzieren können. Leidtragende des neuen Schädlings sind Landwirte und durch den drohenden Pestizideinsatz auch alle anderen Menschen, Grundwasser und Umwelt. Gute Lösungen gibt es in diesem Konfliktbereich nicht.

Eine Ausbreitung des neuen Schädlings, der in Osteuropa schon Fuß gefasst hat, wird wohl nur durch eine ökologisch sinnvolle erweiterte Fruchtfolge langfristig möglich sein. Der gnadenlose weltweite Konkurrenz- und Überlebenskampf in der Landwirtschaft aber behindert diese sinnvolle Maßnahme am Oberrhein.

Dass die ökologische Variante möglich ist, zeigt die Schweiz.

Anders als in Frankreich setzen die Schweizer Behörden nicht auf Pflanzengift, sondern auf die Fruchtfolge: Den Bauern im Umkreis von 10 Kilometern um die Fundorte in der Gegend von Therwil BL wird verboten, nächstes Jahr dort Mais anzubauen, wo dieses Jahr bereits Mais steht. "Was in der Schweiz möglich ist, sollte nach Ansicht des BUND auch in Frankreich und Deutschland gelten. Im Zweifelsfall auch verbunden mit einer Entschädigung der Landwirte", sagt BUND Geschäftsführer Axel Mayer.








"Die Wahrheit", Warnungen & Hinweise:
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  • 3) Im Zweifel ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte immer noch eine gute Quelle zur Orientierung.








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Dieser Artikel wurde 4564 mal gelesen und am 29.5.2021 zuletzt geändert.