Wasserprobleme am Oberrhein und der internationale Tag des Wassers

Das Jahr 2003 ist das Internationale Jahr des Süßwassers und am 22. März 2003 findet der internationale Tag des Wassers statt. Aus diesem Grund senden wir Ihnen einen Überblick über die Situation des Grundwassers im Elsaß und in Baden. Auf unserer Homepage finden Sie und Ihre LeserInnen dazu auch umfangreiches Kartenmaterial.

Wasser, Grundwasser und Trinkwasser am Oberrhein


Große Probleme in Südbaden und im Elsaß

Der Oberrheingraben, das Gebiet zwischen Schwarzwald und Vogesen, erscheint vielen Menschen als eine ökologisch intakte, heile Welt. Doch der erste, oberflächliche Blick auf das "Paradies am Oberrhein" täuscht. Im wahrsten Sinne des Wortes häufen sich die Probleme unter der "Oberfläche" im Grundwasser.

Bei einer Beprobung von 1100 Grundwasser-Messstellen in der Rheinebene im Rahmen von Interreg II wurde im Jahr 2001 festgestellt, dass an 41% der Messstellen mindestens ein Grenzwert für Trinkwasser (häufig auch mehrere Grenzwerte für unterschiedliche Schadstoffe und Gifte) überschritten wurde. Aus diesen Brunnen wird darum auch zumeist kein Trinkwasser entnommen. Die positiven Werte der reinen Trinkwasserbrunnen zeigen darum auch ein eher verfälschtes Bild. Immer größer werdende Gebiete der Rheinebene scheiden zur Trinkwasserversorgung aus.

Drei Viertel des Trinkwasserbedarfs der Bevölkerung


zwischen Schwarzwald und Vogesen werden durch das Grundwasser des Oberrheingrabens gedeckt. Mehr als drei Millionen Einwohner im Elsaß und Baden-Württemberg sind von dieser Wasserressource von ca. 45 Milliarden m³ abhängig.

Landwirtschaft, Kaliabbau und industrielle Verunreinigung


mit Nitrat, Atrazin, Desethylatrazin, Simazin, Diuron, Salz, Dioxin und Cyclohexan sind Probleme des Grundwassers am Oberrhein.

Landwirtschaft und Düngemittel


Die Nitratbelastung des Grundwassers ist hauptsächlich auf den Einsatz von mineralischem und organischem Dünger, zum Teil aber auch auf den Eintrag von Stickoxiden über die Luft, zurückzuführen. Die mittlere Nitratkonzentration der 1100 untersuchten Messstellen beläuft sich auf 29 mg/l. Der europäische Richtwert von 25 mg/l wurde an 36 % der Messstellen, der Grenzwert für Trinkwasser von 50 mg/l an 15 % der Messstellen überschritten. Die Art und Weise der Bewirtschaftung spiegelt sich im Grundwasser wieder. Der Anbau von Mais in der Rheinebene zeigt sich in einer flächenhaften Belastungsfahne im Elsaß und in Südbaden. Auch der intensiv gedüngte Wein bringt starke Belastungen in den Vorbergzonen von Schwarzwald und Vogesen und im Abstrom des Kaiserstuhls. Während die Nitratbelastung im Elsaß noch langsam steigt, scheint sie sich in Südbaden auf viel zu hohem Niveau stabilisiert zu haben und nur sehr langsam abzunehmen. Wenn Gemeinden wie Sasbach oder Endingen auf Grund der Nitratbelastungen neue, viele Millionen Euro teure Brunnen bohren mussten, dann gab es erstaunlicherweise keine öffentliche Diskussion zu den Ursachen des Problems. Bei Konflikten um die Ausweisung von neuen Wasserschutzgebieten haben die "Wassertrinker" die schwächste Lobby.

Landwirtschaft und so genannte Pflanzenschutzmittel


Pflanzengifte (Herbizide) wie Atrazin, Desethylatrazin, Simazin und Diuron sind im Grundwasser am Oberrhein fast überall zu finden.

Im Elsaß werden die Grenzwerte für Trinkwasser bei Atrazin an 13 % und für Desethylatrazin an 17 % der Messstellen überschritten. Obwohl Atrazin in Deutschland seit 1991 verboten ist, ist das Gift noch in 40 % der Messstellen nachweisbar, an 4 % wird der Grenzwert überschritten. Hier zeigt sich das lange Gedächtnis unseres Grundwassers. Es zeigt sich aber auch die makaber erfolgreiche Arbeit der Agrochemielobby, die es u.a. geschafft hat, das Verbot von Atrazin in Frankreich hinauszuzögern. Die Kosten für neue Brunnen, Untersuchungen und Wasserversorgungseinrichtungen trägt unwidersprochen die Allgemeinheit - die Gewinne machen die Konzerne.

Industrielle Belastungen im Elsaß und in Baden


Nach 1945 wurden einige Baggerseen im Umfeld Basels, aber auch an anderen Stellen der Region, zu Müllkippen, teilweise sogar zu Giftmüllkippen. Eines von vielen Beispielen ist das Schuttloch in Teningen, wo eine Kondensatorenfabrik (FRAKO) und ein Aluminiumwalzwerk (Tscheulin) jahrzehntelang ihren Abfall abkippten und das Grundwasser u.a. mit Dioxin und PCB (polychlorierte Biphenyle) vergifteten. Viele dieser Altlasten liegen noch immer im Grundwasser. Die Verursacherfirmen existieren häufig nicht mehr, die Folgekosten tragen die SteuerzahlerInnen.

Aktuelles Beispiel: Rhodia (F) und Cyclohexan


Am 17.12.02 meldete der Chemiekonzern Rhodia in Chalampé, direkt neben der badischen Kleinstadt Neuenburg gelegen, den Behörden einen "kleinen" Störfall. Cyclohexan, ein Lösungsmittel, sei in kleinen Mengen ausgetreten. Ein Rhodia-Mitarbeiter meldete dann heimlich den Medien, mindestens 30 Tonnen seien versickert. Nach heftigen Reaktionen von BUND und französischen Umweltgruppen wurde nach und nach die unglaubliche Dimension des Skandals deutlich. Erst wurden 400 Tonnen zugegeben, später gingen die Behörden davon aus, dass 1200 Tonnen Cyclohexan ausgetreten waren. Das entspricht dem Inhalt der Kesselwagen eines 300 Meter langen Zuges. Zurzeit versucht die Firma das versickerte Lösungsmittel abzupumpen. Erstaunlich ist der harte Umgang mancher Behörden mit kleinen Umweltsündern und der eher freundliche Umgang mit Firmen wie Rhodia.

Grundwasserversalzung durch die elsässischen Kaliminen MDPA und den Kaliabbau der Kali Salz AG in Buggingen


Seit Beginn des letzten Jahrhunderts wurde im Oberrheingraben Kalisalz abgebaut. Als Abfallprodukt fiel Natrium-Chlorid ("Steinsalz") an. Die "Kalimandscharos", die Abraumhügel in Buggingen und Heitersheim, zeugen von diesem, in Baden historischen Abbau. Das Salz dieser Hügel wird seit Jahrzehnten durch den Regen ausgespült (4200 Tonnen Salz pro Jahr alleine in Buggingen) und trägt so zur Grundwasserversalzung bei.

Das Kalibecken bei Mulhouse und die Grundwasserversalzung im Elsaß


Das Hauptproblem aber geht von den Minen im elsässischen Kalibecken (Mines de Potasse d'Alsace) bei Mulhouse (F) aus. Die Abraumhalden bei den großen Minen in Wittelsheim und Pulversheim, die jetzt gerade abgetragen werden, bilden grandiose, faszinierende Erosionslandschaften, die an tibetische Höhenzüge erinnern - allerdings bestehen die heimischen Hügel bis zu 90% aus Salz. Die durch den Regen verursachten Auswaschungen der "Kalimandscharos" im Süden des Elsaß versalzen große Teile des Grundwassers der elsässischen Rheinebene bis in den Raum Sélestat! Hundert Jahre Industriegeschichte haben dazu geführt, dass ein wichtiger Teil des Grundwassers der Rheinebene zur Trinkwassergewinnung nicht mehr zu gebrauchen ist.

Salz im Rhein, Salz im Grundwasser


Auch die massive Versalzung des Grundwassers auf der badischen Rheinseite zwischen Bremgarten und Breisach ist indirekt auf die Kaliberge bei Mulhouse zurückzuführen. In einer offenen Betonrinne, einer Todesfalle für Wildtiere, wird seit Jahrzehnten hochkonzentrierte Salzlauge in den Rhein geleitet. Am AKW Fessenheim vorbei fließt die Salzbrühe in den kanalisierten Rhein. Noch 1991 strömten in jeder Sekunde 115 Kilogramm Salz in die Haupttrinkwasserader von Millionen Europäern - jährlich 3,6 Mio. Tonnen Natrium-Chlorid. Erst durch massiven juristischen Druck der holländischen Umweltschützer und der Wasserwerke am Rhein wurde die eingeleitete Menge reduziert.

In der Zeit von 1957 bis 1976 gab es auf der Fessenheimer Rheininsel, gegenüber von Bremgarten, undichte, offene Zwischenlagerbecken für 520.000 m³ hochkonzentrierte Salzlauge. Diese großen Salzwasserbecken sollten sich nach Ansicht der "Experten" durch den im Salzwasser enthaltenen Ton selbst abdichten. Leider hatten sich die "Experten" geirrt: Eine Million Tonnen Salz sind "einfach so" ins Grundwasser versickert.


Auswirkungen


Wenige Kilometer unterhalb der Fessenheimer Rheininsel finden sich auch in Südbaden bereits jetzt bis zu 50 Gramm Salz in einem Liter Grundwasser - Meerwasser enthält im Schnitt nur 35 Gramm! Diese Salzlauge fließt ca. 100 Meter unterhalb der Geländeoberkante langsam nach Norden. Die verdünnte Spitze der Salzfahne bereitet der Wasserversorgung in Breisach langsam Probleme.

Verursacherprinzip?


Der BUND hat es auch hier im Dreyeckland immer wieder erlebt, wie Firmen jahrelang profitabel gearbeitet haben und die ökologischen Folgekosten ihres Handelns auf die Allgemeinheit abwälzten. Beispiele dafür sind die Teninger Altlast und die Kaliminen im Elsaß. Solange die Staatsfirma noch Geld hat, sollte das Verursacherprinzip strikt angewendet werden - wie bei kleinen Umweltsündern auch. Nicht die Wasserverbraucher, sondern die Betreiber der Kaliminen sollen die Zeche zahlen! Es ist Aufgabe des BUND, dafür zu sorgen, dass Umweltschutz nicht nur auf dem Rücken der Kleinen praktiziert wird.

Aus diesen Gründen hat BUND-Geschäftsführer Axel Mayer die Verursacher des Umweltskandals (Mines de Potasse d'Alsace und die Kali Salz AG) auf beiden Rheinseiten angezeigt. Die französische Staatsanwaltschaft hat das Verfahren mit folgender fadenscheinigen Begründung eingestellt: "Der BUND ist selbst nicht betroffen und er ist auch kein französischer Umweltverband." Das Verfahren in Sachen Buggingen und Kali Salz AG läuft noch. Die BUND-Anzeige hat immerhin die größte Polizeiaktion in der Geschichte des Freiburger Wirtschaftskontrolldienstes ausgelöst. Bei der beschuldigten Firma in Norddeutschland wurden Unterlagen beschlagnahmt. In einem anderen Verfahren wurde jetzt zumindest ein Teilerfolg erzielt. Die Sanierung des Bugginger Salzhügels muss nicht die Allgemeinheit tragen, sondern die verursachende Firma Kali Salz AG.

Fazit


Die ein wenig strengere Gesetzgebung in Deutschland (Atrazin-Verbot, Schalvo- und Meka-Programm) führte dazu, dass die Grundwassersituation in Südbaden zumindest geringfügig besser ist als im Elsaß. Doch die zunehmende Tendenz zur Deregulierung, zur Privatisierung der Wasserversorgung, zur Schwächung der Wasserwirtschaft und das zurückgehende Interesse an Umweltthemen gefährden die kleinen Fortschritte. Ob ein neuer "Muttertag der Umwelt", der internationale Tag des Wassers diese Tendenzen aufhält, darf mit Recht bezweifelt werden.

Das aktuelle Jahr des Süßwassers bietet zumindest eine kleine Möglichkeit, das Bewusstsein für die Probleme unseres wichtigsten Nahrungsmittels kurzfristig zu schärfen. Wasser braucht auch in Südbaden und im Elsaß eine stärkere Lobby. Die Ursachen der Belastungen sind zwischenzeitlich ausreichend bekannt. Jetzt braucht es Taten und Engagement von Politik und Behörden, um konsequenter gegen die Ursachen der Grundwasserbelastung vorzugehen.

Axel Mayer



Den gleichen Text mit umfassenden anschaulichen Grafiken zur Grundwasserbelastung finden Sie auf dieser Homepage unter Projekte/Wasser, Integriertes Rheinprogramm