"Heimat hört nicht an der Landesgrenze auf"
Bei den Heimattagen Baden-Württemberg in Waldkirch im Jahr 2018 durfte ich meinen Vortrag zum Thema
"Umweltgeschichte am Oberrhein" halten. Jürgen Dettling hat für die Badische Zeitung dazu den
folgenden Bericht geschrieben.
"Heimat hört nicht an der Landesgrenze auf"
Gleich zu Beginn seines Vortrags "Heimat und regionale Umweltgeschichte(n)" fragt Axel Mayer in die Runde der 40 Zuhörer: "Wer war 1975 in Wyhl?" Einige Hände gehen hoch. Der erfolgreiche Kampf gegen das damals geplante Atomkraftwerk im Rheinauenwald ist einer der Höhepunkte im Stammbuch der regionalen Umweltbewegung.
Das Wort "Heimat" benutzt der Referent erst ganz am Ende seines anderthalbstündigen Vortrags. Und doch steht es immer wieder im Raum. Aus der Sicht Mayers – und er füttert diese aus der Praxis entstandene Überzeugung mit zahlreichen Beispielen – ist "Heimat" das Dreiländereck am Oberrhein. Weil Umweltgefahren und -beeinträchtigungen nicht an Staatsgrenzen Halt machen und die Umweltbewegung in ihrer Geschichte sich immer als eine verstanden hat, die Badener, Elsässer und Schweizer zusammenbringt. "Die Zusammenarbeit der Umweltschützer", so Mayer, "ist schon immer grenzüberschreitend gewesen. Wir sind gegen Nationalismen und für einen weltoffenen Heimatbegriff. Wir wollen Europa menschenfreundlich weiterentwickeln und werden uns den Begriff nicht von der politischen Rechten madigmachen lassen. Heimat braucht intakte Natur und das Miteinander der Menschen aller Kulturen. Sie ist bunte Vielfalt und nicht monokulturelle Einfalt."
Axel Mayer, Jahrgang 1955, ist auf Einladung der Waldkircher Ortsgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gekommen. Einen kompetenteren Referenten für das Thema "Geschichte der Umweltbewegung in der Regio" gibt es kaum. Als junger Bursche fand der geborene Teninger und heutige Kaiserstühler die Atomkraft "eigentlich gut". Das sollte sich in den 1970er Jahren rasch ändern. Damals wurde aus Mayer der umfassende Umweltschützer und Aktivist, der er bis heute geblieben ist. Die letzten 25 Jahre auch als Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands Südlicher Oberrhein. Sein Vortrag ging tief in die Geschichte, er galoppiert durch die Jahrhunderte. Umweltschutz kommt seit jeher ins Spiel, seit die Menschen sich die Natur nutzbar machen. Die große Kunst dabei ist, dies sinnvoll, also nicht zerstörerisch zu tun.
Schwerpunktmäßig vom Bergbau im Mittelalter bis heute zieht Mayer die historische Linie. Den Beginn der organisierten Umweltbewegung in Deutschland datiert er auf die Gründung des Schwarzwaldvereins im Jahre 1864. Besonders lebendig werden seine Erzählungen immer da, wo er selbst beobachtender Zeuge war oder aktiv mitgemischt hat. An Bauplatzbesetzungen im Dreiländereck werden wir erinnert, an den Kampf gegen Atomkraftwerke und Giftschleudern, an Wasserverschmutzung, Grundwasserverseuchung, Waldsterben, Genmanipulation, Flächenverbrauch und Zersiedlung und vieles mehr. Die subjektive Wertung Mayers verbucht Siege und Niederlagen der Umweltbewegung. Freimütig räumt er ein, dass natürlich von den Umweltschützern auch Fehler gemacht wurden.
Und heute? "Es ist gut", sagt Mayer, "dass es sowohl die Naturschützer gibt als auch die Umweltschützer, die versuchen, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge aufzuzeigen und daraus dann sinnvolle Strategien abzuleiten." Sehr intensiv arbeitet er derzeit an Aufklärung über das Artensterben, vor allem das Verschwinden der Insekten. "Es ist schwieriger geworden", sagt er. "Früher haben wir oftmals mit punktuellen spektakulären Aktionen etwas erreicht. Heute müssen wir vor allem mit langem Atem und mit Blick auf weltweite Zusammenhänge und in Richtung Nachhaltigkeit arbeiten. Aber nach wie vor gilt: Umwelt- und Naturschutz dient den Menschen und ist insofern auch Heimatpflege im besten Sinn." Der Vortrag erntete Applaus.