Rhodia: Unfall mit Blausäure bei Rhodia in Chalampé

Störfall und Unfallrisiko bei der Rhodia

Der Blausäureunfall bei der grenznahen Firma Rhodia und die Nicht-Information der in Windrichtung liegenden badischen Gemeinden war Anlaß für ein intensives Gespräch mit der Geschäftsführung der Firma, an dem sich neben VertreterInnen der AGUS und des BUND auch die Landtagsabgeordnete Stefanie Günther beteiligte. Die Ergebnisse des Gesprächs waren ambivalent, teils beruhigend, teilweise aber auch sehr beunruhigend für den BUND und die beteiligten UmweltschützerInnen.

Beruhigend war die Information, daß die Auswirkungen des Störfalls nach Angaben der Werksleitung auf das Firmengelände beschränkt waren, da die Blausäureproduktion mehrere Tage wegen technischer Probleme abgestellt war und sich deshalb noch relativ wenig Blausäure in den Rohren befand, als sich die Explosion ereignete. Darum wurden nach Werksangaben auch "nur" ca. 15 kg der sehr gefährlichen Blausäure freigesetzt. Ein Problem für die ArbeitnehmerInnen, nicht aber für die badischen AnwohnerInnen.

Beunruhigend war eine Vielzahl von Informationen. Nach Angaben der Betriebsleitung kam der Störfall absolut überraschend und entgegen alle Erwartungen und Betriebsanleitungen. Die Filter in der Blausäureproduktion waren verstopft und darum war die Anlage mehrere Tage abgeschaltet. Die "kleinen verbliebenen Reste" von Blausäure wurden mit Luft ausgeblasen. Die Sicherungsflamme am Ende des Systems hat entgegen allen Erwartungen in die Rohre zurückgeschlagen und zur Explosion geführt, bei der dann ca. 15 kg Blausäure freigesetzt wurden.

Dadurch, dass nur Restmengen an Gas im System waren, wurden die schlimmen Auswirkungen auf das Firmengelände beschränkt. Es ist für Fachleute und den BUND unglaublich, dass ein solches Rückschlagen der Flamme möglich war.

Beunruhigend aber war für den BUND das große Gefährdungspotential der Anlagen. Es gibt zwar keine Zwischenlager für Blausäure, es wird aber in der Stunde die unglaubliche Menge von 26 Tonnen Blausäure produziert und verarbeitet. Die Produktionsmenge pro Stunde ist nur ein Indiz für ein denkbares "worst case Scenario". Weitere Informationen gab die Firmenleitung nicht. Dennoch müssen wir jetzt annehmen, daß es sich bei der Rhodia, neben dem AKW Fessenheim, um eine der gefährlichsten Anlagen der Region handelt. Der Fall Eschede hat aktuell wieder gezeigt, daß auch unwahrscheinliche, theoretisch aber denkbare Unfälle stets möglich sind.

Wir wissen nicht, ob angesichts dieses Gefahrenpotentials die entsprechenden Unfallszenarien geprüft wurden, ob grenzüberschreitende Katastrophenschutz-maßnahmen geplant sind und wie Behörden, Feuerwehr, Katastrophenschutz und die Bevölkerung insbesondere in Neuenburg auf unwahrscheinliche, aber dennoch jederzeit mögliche Unfälle vorbereitet sind.

Auch der Informationsfluß beim letzten Unfall war schlecht. Die Rhodia hat die Gemeinden im Elsass, nicht aber die badischen Gemeinden in der Hauptwind-richtung informiert. Die Informationen der Rhodia an die französischen Behörden (DRIRE) wurden von diesen nach Angaben der Firmenleitung nicht nach Deutschland weitergeben. Das darf in Zukunft nicht mehr geschehen.

Der letzte "kleine" Unfall läßt Zweifel aufkommen ob ein großer Unfall beherrschbar wäre.Das Gespräch mit der Rhodia-Firmenleitung hat gezeigt, daß Umweltschützer und Firma ein großes gemeinsames Interesse an Sicherheit haben. Der Unterschied liegt in einem zentralen Punkt. Firmenleitungen sind grundsätzlich optimistisch und behalten mit ihrem Technikoptimismus meistens recht. Umweltschützer sind eher pessimistisch und behalten manchmal recht (Eschede, Seveso, Tschernobyl ...).

Behörden, Katastrophenschutz und Feuerwehr müssen vom möglichen Unfallpotential ("worst case Scenario") ausgehen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit des schlimmsten Unfalls gering ist. Ob dies auf der deutschen Seite geschieht und ob das potentielle Risiko (wieviel Blausäure könnte freigesetzt werden?) bekannt ist, wissen wir nicht.

Axel Mayer

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