Europäische Visionen und regionale Realität: Fessenheim, Benken, Nambsheim, Wyhl

Vor der friedlichen und großen Fessenheim-Kundgebung mit ca. 10000 TeilnehmerInnen in Colmar, am 3. Oktober 2009, hatten der Bürgermeister von Colmar Gilbert MEYER und der Präfekt Pierre-André PEYVEL vor den „deutschen Randalierern“ gewarnt, um die Menschen im Interesse der EDF grenzüberschreitend gegeneinander auszuspielen und um möglichst viele Aktive von einer Teilnahme abzuschrecken...
Nach der erfolgreichen, friedlichen und machtvollen Kundgebung, mit ca. 70 bis 80% französischen AktivistInnen, sprach Präfekt Pierre-André PEYVEL von einer "deutschen Invasion" (Quelle: Der Sonntag 4.10.09) um so gezielt böse Assoziationen und Erinnerungen zu wecken.


Auf den besetzten AKW-Bauplätzen in Wyhl (D), Kaiseraugst (CH) und Gerstheim (F) haben wir drei Jahrzehnte nach Kriegsende den europäischen Traum vom grenzenlosen Europa geträumt und erkämpft. Wir haben die realen und die inneren Grenzen und die alte, verlogene "Erbfeindschaft" überwunden, Bauplätze und Brücken besetzt, Gifteinleitungen in Rhein und Luft abgestellt, für Leben und Zukunft gekämpft und gemeinsam viele Gefahren am Oberrhein abgewehrt.

Einige der vielen Wurzeln Europas und der deutsch-französischen Aussöhnung liegen in Marckolsheim, Gerstheim und Wyhl. Hier haben wir die Vision vom grenzenlosen Europa gesponnen, ausgedrückt im Lied von François Brumbt: "Mir keije mol d Gränze über de Hüfe und danze drum erum". Als die Schlagbäume zwischen Frankreich und Deutschland fielen hatten wir, wieder einmal, eines unserer Ziele erreicht.

Seit dieser Zeit erlebe ich am Oberrhein immer wieder, wie geschickt, gezielt und erfolgreich in ökologisch-ökonomischen Konflikten (Fessenheim, Atommüll Schweiz, Autobahnausbau, Flugplatz Zürich...) die Menschen gegeneinander ausgespielt werden, während gleichzeitig das Hohelied der Regio und zukünftigen Metropolregion gesungen wird.

Beispiele:




Wir haben im Dreyeckland am Oberrhein die Realisierung Europas mit erkämpft. Wenn Flüsse und Luft sauberer geworden und die Grenzen nach Frankreich gefallen sind, dann ist das mit ein Erfolg der grenzüberschreitenden Umweltbewegung.

Und dennoch: Immer wieder überlagern alte und neue, geschickt geschürte (noch kleine) Nationalismen und traurige Feindbilder auf beiden Rheinseiten die Europa-, Regio- und Dreyeckland-Mythen und diese Feindbilder werden aus ökonomischen Gründen gezielt aufgebaut. Erschreckend ist nicht, dass Konzerne und Lobbyisten versuchen, uns gegeneinander auszuspielen. Erschreckend ist, dass die "nationale Karte" immer noch häufig sticht.

In diesen Konflikten und in der Art, wie sie manchmal ausgetragen werden, scheitert immer auch ein kleines regionales Stück Europa.

Um so wichtiger ist unser Europa von unten, abseits aller europäischer Fördertöpfe, Metropolregion Pläne und Interreg-Gelder. In Benken, Fessenheim und überall wo wir uns grenzüberschreitend für Mensch, Natur, Umwelt Zukunft, Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Freiheit engagieren. So wie jetzt gerade wieder bei der schönen, wichtigen, internationalen Anti-Atom-Kundgebung in Colmar.

Axel Mayer

Europäische Wurzeln im Freundschaftshaus auf den besetzten Bauplätzen am Rhein