Urteil: Rhodia Chalampé - Mengenrabatt für Grundwasserverschmutzung?
28.03.2006
Nur 7500 Euro Bußgeld für 1200 Tonnen Cyclohexan im Grundwasser
An die Medien im Elsass und in Südbaden
In der vergangenen Woche,
am 21.3.2006, wurde beim Amtsgericht Mulhouse (F) ein wichtiges Urteil in Sachen Umwelt gesprochen. Hintergrund war die gravierende Grundwasserverschmutzung vom Jahreswechsel 2002 – 2003 bei der Rhodia in Chalampé. Unbemerkt war damals die unglaubliche Menge von 1200 Tonnen Cyclohexan ausgetreten und teilweise ins Grundwasser versickert.
Ähnlich skandalös wie der damalige Unfall ist jetzt das Urteil
vom Amtsgericht Mulhouse. Nur 7500 Euro Bußgeld für 1200 Tonnen Cyclohexan im Grundwasser muss die Firma Rhodia jetzt zahlen. Im Vergleich mit Urteilen bei kleinen Umweltstraftaten kann wohl von einem großzügigen "Mengenrabatt" ausgegangen werden. Hätten 1 200 000 Menschen je ein Kilo Cyclohexan versickern lassen oder wären diese 1 200 000 Menschen beim Ablassen von Altöl ins Grundwasser erwischt worden, dann hätte man mit dem Bußgeld vermutlich einen beachtlichen Teil des franzöischen Staatsdefizits abbauen können.
Der eigentliche Skandal war die Zuordnung des Unfalls
zum kleinen Amtsgericht in Mulhouse. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Vorfeld des Verfahrens hatten nicht klären können, ob es bei der Verseuchung nicht auch zu schädlichen Wirkungen für Mensch und Tiere hätte kommen können. Aus diesem Grund handelte es sich nicht etwa um ein Umweltdelikt, sondern nur um eine Bußgeldsache.
Zur Erinnerung:
Mit einem großen Chemieunfall eröffnete der Chemiekonzern Rhodia in Chalampé (F) zum Jahreswechsel 2002 – 2003 das Internationale Jahr des Süßwassers. Kurz vor dem Jahreswechsel meldete die Rhodia den Behörden einen "kleinen" Störfall. Cyclohexan, ein giftiges Lösungsmittel, sei in kleinen Mengen ausgetreten. Die Bevölkerung wurde nicht informiert. Ein Rhodia-Mitarbeiter meldete dann heimlich den Medien, 30 Tonnen seien versickert. Nach heftigen Reaktionen von BUND und Alsace Natur wurde nach und nach die unglaubliche Dimension des Skandals deutlich. Erst wurden 400 Tonnen zugegeben, später gingen die Behörden und das Gericht davon aus, dass bis zu 1200 Tonnen Cyclohexan unbemerkt (!) über einen längeren Zeitraum ausgetreten waren. Das entspricht dem Inhalt der Kesselwagen eines 300 Meter langen Zuges. Und das in einem Betrieb, der stündlich 28 Tonnen Blausäure produziert. 5 Millionen Euro wird die Sanierung der Unfallfolgen die Rhodia nach eigenen Angaben kosten. Ein Streichholz oder Funke hätte zu einer Katastrophe führen können.
Erschreckend ist der harte Umgang der Behörden und Gerichten mit kleinen Umweltsündern
und der freundliche Umgang mit Großverschmutzern wie der Rhodia und der Kali und Salz AG. Wer sich als Umweltverschmutzer teure Anwälte leisten kann, kommt meistens ungeschoren oder mit einem "Mengenrabatt" davon.
Mehr Informationen über die Rhodia / Rhône-Poulenc, über gefährliche Pleiten, Pech, Pannen, Störfälle und Umweltverschmutzung finden Sie mit Hilfe der Suchfunktion auf der BUND Homepage.
20.1.2011 Liberté? Egalité?? Drei Umwelturteile elsässischer Gerichte
Finden Sie den Unterschied:
Ein französischer Biologe hat gentechnisch veränderte Rebstöcke zerstört. Die Vorinstanz, das Straßburger Verwaltungsgericht, hatte den gentechnischen Freilandversuch wegen eines Formfehlers nachträglich als illegal eingestuft. Ein Berufungsgericht in Colmar verurteilte den Umweltschützer dennoch im Januar 2011 zu 50.000 Euro Schadenersatz und einem Monat auf Bewährung.
7.500 Euro "Bußgeld" musste die französische Firma Rhodia in Chalampé im Jahr 2006 zahlen, nachdem die unglaubliche Menge von 1.200 Tonnen giftigem Cyclohexan ins Grundwasser gelaufen war und eine verheerende Explosion nur durch glückliche Umstände verhindert wurde.
Der Brand des „nicht brennbaren“ Giftmülls in der Stocamine, der „sichersten“ Giftmülldeponie Frankreichs im elsässischen Kalibecken bei Mulhouse, brachte den Arbeitern Gesundheitsschäden und gefährdet langfristig das Grundwasser am Oberrhein. Im Berufungsverfahren um den Brand hat im April 2009 ein Gericht in Colmar das Urteil gefällt: Der Chef der Deponie wurde letztlich zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro verurteilt.
Liberté? Egalité? Gerechtigkeit und Unabhängigkeit der Justiz müssen auch in der Demokratie immer neu erkämpft werden. Dies gilt genau so auch für Deutschland, wo es vergleichbare Urteile gibt.
Jean Paul Lacôte, Alsace Nature Haut-Rhin, Vorstandsmitglied
Axel Mayer, BUND-Regionalverband, Geschäftsführer
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