Roland Burkhart / Buki: Mensch, Buchhändler, Liedermacher, Aktivist
"Roland, ich weiß zwar nit, was Dü so alles machsch, aber machs guet."
Ein Interview mit dem Liedermacher und Buchhändler Roland Burkhart im Stühlinger MAGAZIN
Einen aktuellen, umfassenden Rückblick auf den AKW-Wyhl-Konflikt und eine umfangreiche Wyhl-Chronik finden Sie Hier
Stühlinger MAGAZIN: Wie lange führst Du bereits Dein eigenes Geschäft? Roland Burkhart: Nach meinem Studium habe ich bei JosFritz von Ende 1978 bis 1982 Buchhändler gelernt und mich erst teilselbständig gemacht, um Institute mit benötigter Literatur zu beliefern. Bei JosFritz war ich für die ÖkoBuch-Abteilung und die damals bedeutende Schallplattenabteilung zuständig. Wir von den Badisch-elsäßischen Bürgerinitiativen gegen das geplante AKW in Wyhl hatten zu dieser Zeit eigene Platten mit Protestliedern produziert und eigene Liederbücher bei der benachbarten Bundschuhdruckerei in der angrenzenden Spechtpassage drucken lassen. Die Buchhandlung Jos Fritz war damals schon ein kultureller Anziehungspunkt mit vielerlei Veranstaltungen, ja ein Schmelztiegel und Kristallisationspunkt für alles, was links war. Den eigenen, ganz selbständigen Buchservice habe ich dann ab 1989 aufgebaut. Das Jos Fritz-Buchladen-Kollektiv war damals im bürgerlichen Freiburger Milieu als "linke Kaderschmiede" verschrien, mit denen die Universität keine Büchergeschäfte machen wollte. Heute ist die professionell geführte Buchhandlung nicht mehr aus der Freiburger Buchhandelslandschaft wegzudenken. Sie verfügt über eine fachlich sehr gute Auswahl und hat mit dem Cafe und einem Theater in der Spechtpassage ein ansprechendes kulturelles Ambiente. 1989 zog ich mit meinem Bücherservice in einen Hinterhof in der Stühlingerstraße, ein kleines Büro ohne Ladenlokal. "Wenn einer ne Pizza Margherita will, dann will er keine mit Salami drauf." Nach dieser Devise beliefere ich Institutskunden und auch Privatkunden nur mit dem, was, sie bestellt haben. Dazu kommen viele, oft anspruchsvolle Büchertische bei Lesungen und Tagungen. Ich kann und muss meine Arbeitszeiten sehr flexibel gestalten. Meine Kollegen sind der Anrufbeantworter und das Faxgerät, mittlerweile auch seit vielen Jahren ein Computer mit all seinen modernen Möglichkeiten..
Stühlinger MAGAZIN: Du hast aber kein eigenes Ladengeschäft? Roland Burkhart: Ne, ne, ich habe auf der derselben Etage nur eine Betriebsgemeinschaft mit dem Schlüsseldienst Schneider. Mit Uli das Faxgerät, den Kopierer und die Küche, Er hat vorne raus seinen Laden und seine Werkstatt, ich hab hinten raus mein Büro. Und das alles in einer wunderbaren Hausgemeinschaft und einer sehr freundlichen Nachbarschaft.
Stühlinger MAGAZIN: Wie kann man sich an Dich wenden? Roland Burkhart: Nun, entweder per Telefon, Fax oder per Email.
Stühlinger MAGAZIN: Hast du besondere Spezialgebiete? Roland Burkhart: Vorrangig Politik-, Geistes- und Sozialwissenschaften, auch Ökologie, weil es sich bei diesen um meine eigenen Interessensbereiche handelt. Naturwissenschaften sind da ein wenig schwierig, aber besorgen kann ich alles, was es im Buchhandel gibt.
Stühlinger MAGAZIN: Liest Du selbst gerne? Roland Burkhart: Sehr gerne. Ich bin an zwei Lesekreisen und in Schreibwerkstätten beteiligt. Ein Lesekreis nennt sich „Literatursalon“ und befindet sich bei einer Autorin in Pfaffenweiler, der andere in der Freiburger Stadtbibliothek. Ich hatte einige Jahre lang selbst auch einen Seniorenlesekreis in Elzach geleitet, dessen Mitglieder so zwischen 70 bis 95 Jahre alt waren. Der Lesekreis in der Stadtbibliothek mit Ursula Dietrich besteht seit 14 Jahren und zieht jedes Mal zur monatlichen Sitzung zwischen 20 bis 35 TeilnehmerInnen an, die fleißige Leser sind und sich gerne mit anderen über das gerade gelesene Buch austauschen.
Privat wohne ich seit vielen Jahren in Waldkirch und bin dort u.a. im Verein „GeorgScholzHaus Kunstforum“ aktiv, das nach der erste Nachkriegsbürgermeister in Waldkirch benannt ist. Scholz war in den Zwanziger Jahren ein bekannter Maler der „Neuen Sachlichkeit, später dann Kunstprofessor in Karlsruhe, erhielt aber 1933 unter den Nationalsozialisten Berufsverbot. Waldkirch wurde sein Unterschlupf und Rettungsanker in diesen dunklen Jahren.
Stühlinger MAGAZIN: Hast Du bisher besondere Erlebnisse im geschäftlichen Rahmen sammeln können? Roland Burkhart: Ich bin Buchhändler mit Leib und Seele, Tag und Nacht, weshalb bei mir Privatheit und Öffentlichkeit hin und wieder miteinander verschwimmen, gerade auch wegen meines großen Interessensspektrums. Die Arbeit bereitet mir viel Spaß. Nach dem Studium, so um 1978/79 herum hatte ich viele Anfragen als Liedermacher und Protestsänger und aufgrund meiner Arbeitslosigkeit hatte ich mich über fantastische 500 Mark für einen Auftritt damals in Nürnberg sehr gefreut. Ich war mit Walter Moßmann zusammen so eine Art "Botschafter der Anti-Atomkraft-Bewegung in Wyhl". Heute habe ich viele Kontakte zu Kunden, die auch zu Freunden wurden und umgekehrt. Für mich ist das ein ganz großes Netz geworden, so ne klassische Tante-Emma-Laden-Geschichte. Ich verfüge ich auch über einen Verteiler mit weit über 600 Emailadressen, wenn ich auf Lesungen, andere Veranstaltungen oder AKW-Demonstrationen(ja, bis heute unermüdlich!) aufmerksam machen möchte.
Stühlinger MAGAZIN: Erfragen viele Deiner Kunden Empfehlungen? Roland Burkhart: Ja, immer wieder. Ich erhalte auch knifflige antiquarische Bestellungen und andere besondere Bücheranfragen, gerade weil ich ein anderes Verhältnis zum Buch habe als so manche Buchhandelsketten. Für mich sind Bücher keine Würstchen, um es mal platt auszudrücken.
Ich habe ein sehr breites Kundenspektrum, Privatleute, Ärzte, Lehrer; Anwälte, Klinikinstitute. Die Entstehung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme(ISE) habe ich z.B. bis heute buchhändlerisch begleitet und bin dort Stammlieferant. Als Buchhändler musst Du immer hellwach und findig sein. Ich habe auch schon Bücher aus Indien und China beschafft, wenn sie benötigt wurden, oder verschicke auch bis nach Taiwan und Südafrika. Ich beliefere in Freiburg und seinem Speckgürtel Schulen, Uni-Institute, auch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, eigentlich jeden, der mich mit seinem Buchwunsch kontaktiert.
Stühlinger MAGAZIN: Kommen wir nun zu Deiner Person und Deinem Lebensweg. Wie sahen Deine ersten Lebensjahre aus? Roland Burkhart: Ich wurde als eines von fünf Kindern 1946 in eine Winzerfamilie in Jechtingen am Kaiserstuhl hineingeboren und ging dann mit 12 Jahren nach Freiburg auf das Friedrichgymnasium. Das Studienheim St.Georg wurde zu meiner neuen (Stadt-)Heimat und ich machte 1967 mein Abitur und ging dann zur Bundeswehr. Ich spürte damals einen starken Unterschied zwischen Stadt und Land und wir Landkinder hatten einen ordentlichen "Frechheitsrückstand" gegenüber Stadtkindern. Das Studienheim selbst war sehr gut ländlich durchmischt, half uns aber mit besonderen Angeboten bei unserer Bildungs-Aufholjagd. Meine Bundeswehrzeit habe ich in Pfullendorf und Sigmaringen abgeleistet, wobei meine Kompanie dort zufälligerweise nur aus Abiturienten bestand. Da haben wir sehr viel über Tagespolitik gesprochen z.B. damals die Prager Krise von 1968, als die Russen dort einmarschiert waren und die BRD in Alarmstimmung war. Wir waren ständig am Diskutieren, alle vier Wochen ist einer abgesprungen, weil er verweigern wollte. Ich habe zwar die 18 Monate durchgehalten und mich schon insgeheim auf mein Politikstudium vorbereitet.
Stühlinger MAGAZIN: Wie kamst Du auf Politik? Roland Burkhart: Ich fand die Tagespolitik damals unheimlich spannend , gerade auch unter der Kanzlerschaft Kiesingers von 1966 - 1969, der wegen seiner Nazivergangenheit von Beate Klarsfeld geohrfeigt worden war. Stellt Euch vor, ich hatte einen alten Nazi als Geschichtslehrer, der sich weigerte, die Zeit des Nationalsozialismus zu unterrichten! Hinzu kam eben die bereits beschriebene politische Stimmung im Studienheim, die mein Interesse wachsen ließ. Im ersten Semester 1969 ging ich zu einigen Veranstaltungen der Freiburger Jungdemokraten, der damaligen FDP-Jugendorganisation, die sich klar links positionierte und auch die sozial-liberale Koalition mit vorbereitete. Ich war oft im Liberalen Club, der ein großer Anzugspunkt für die politisierte Jugend Freiburgs darstellte. Mit meinem Studienbeginn habe ich dann nachträglich den Kriegsdienst verweigert, was allerdings fünf Jahre in Anspruch nahm, ehe es bewilligt wurde. Ein Film von Michael Verhoeven über den Vietnamkrieg bestärkte mich in meiner politischen Haltung. Ich habe natürlich in mehreren WG`s gewohnt und war empfänglich für alle politischen Debatten. Selbstverständlich auch an den damaligen Demonstrationen teil, z.B. gegen den Vietnam-Krieg und gegen Wohnraumzerstörung.
Stühlinger MAGAZIN: Wie bist Du in Dein Politikstudium reingegangen? Roland Burkhart: Ich war auf einem altsprachlichen, humanistischen Gymnasium und kannte die Theorien und Entwürfe über die "gute Demokratie" bereits aus dem Unterricht für Altgriechisch und Latein.
Stühlinger MAGAZIN: Wie reagierten Deine Eltern auf Dich? Roland Burkhart: So mit 16-17 Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich meinen Eltern irgendwie davon gerannt bin. Mein Vater war ein alter Bauer vom Lande, der sein braves Ross besaß und alles von Hand machte. Dies führte zu Konflikten mit meinem älteren Bruder und Hofnachfolger, der alles mit Maschinen machen wollte und vereinfacht haben wollte. Zur mir meinte mein Vater eines Tages: "Roland, ich weiß zwar nit, was Dü so alles machsch, aber machs guet." In den großen Ferien war ich selbstverständlich immer wieder zurück nach Hause ins Dorf und habe auf dem Hof mitgeholfen. Ich ging zum örtlichen Mandolinenverein, lernte in kurzer Zeit Mandoline und Gitarre spielen, habe beim Fußballverein mitgekickt, weil es ja nichts anderes auf der anderen Seite des Kaiserstuhls gab. Und habe mich oft mit meinem Vater gemessen und ständig Erklärungen haben wollen. Das gipfelte oft in dem Satz, den er mir verzweifelt entgegen schleuderte: "Was frogsch Dü dänn immer „Wurum, Wurum“?"
Stühlinger MAGAZIN: Welche Veränderungen haben sich bei Dir durch Wyhl ergeben? Roland Burkhart: Es gab damals an der Uni einige zaghafte Versuche, das Phänomen „Bürgerinitiativen“ wissenschaftlich in den Griff zu bekommen. In meinem Fachbereich war es u.a. Dr. Köser, der als Assistent dort arbeitete und sich wissenschaftlich mit Bürgerinitiativen beschäftigte. Da entstand ein merkwürdige Situation für mich. Während der Platzbesetzungszeit waren einige von uns Politikstudenten oft abends am Kaiserstuhl bei BI-Versammlungen und am nächsten Morgen saßen wir in der Uni und sahen die Politologen an Erklärungsansätzen für das Entstehen des massenhaften neuen Bürgerengagements herumdoktern. Ich bin schon früh durch meinen Bruder zuhause auch auf das Bürgerinitiativengagement bei Wyhl aufmerksam geworden.. Die Gemeinde Wyhl wollte ja damals Gelände an die Kraftwerksbetreiber zur Errichtung eines AKWs verkaufen. Der Protest hiergegen war anfangs fast nur ein bäuerlicher. Unter anderem gab es da einen Arzt aus Jechtingen, der aktiv gegen die Atomkraft als Gesundheitsrisiko "predigte". Als Vorläufer der Wyhler Proteste gelten die von Breisach 1972, wo sich die Winzer gegen das erst dort geplante AKW schon zusammenschlossen hatten, weil sie aufgrund der entstehenden Nebelschwaden um ihre Rebstöcke fürchteten. Als die Landesregierung den Standort 15 km weiter nach Norden nach Wyhl verlegte, wanderten viele dann zum Protestieren nach Wyhl weiter. Der neue, jetzt grenzüberschreitende AKW-Widerstand nahm da ganz andere Dimensionen wie Platzbesetzungen, Platzräumung und Wiedereroberung durch zehntausende Demonstranten aus Stadt und Land an. Die Politikwissenschaft in ihrem Elfenbeinturm war verständlicherweise ratlos über diese Eskalation.
Stühlinger MAGAZIN: Wie reagierten Deine Eltern auf die Proteste? Roland Burkhart: Meine Eltern waren beide gegen das geplante AKW. Mein Vater sagte:„ `S isch doch alles e Schwindel!“ Meine Mutter hat zusammen mit anderen Frauen am Sonntag 23.2.1975, also am Wiedereroberungstag des von der Polizei geräumten Bauplatzes, in der kleinen Litzelberg-Kapelle gebetet und meinte dann: „Siehsch, `s het ebbis gnutzt!“.
Stühlinger MAGAZIN: Protestierten damals Stadt und Land zusammen? Roland Burkhart: Ja, es gab eine regelrechte Vermischung von städtischer und ländlicher Bevölkerung. Es kamen Protestgruppen aus dem Elsass und aus der Umgebung von Basel, wo ja auch ein AKW geplant war.
Stühlinger MAGAZIN: Welchen Einfluss hatten die Proteste auf Dein kulturelles Engagement? Roland Burkhart: Ein sehr großes, aber es hatte schon vorher bei mir angefangen. So war ich 1971 in einer Kindertheatergruppe, die dann für den ersten Freiburger Weihnachtsmarkt gebucht wurde. Ich habe für die selbst ausgedachten, konsumkritischen Szenen die Lieder geschrieben.
Stühlinger MAGAZIN:Hast Du schon immer gerne Musik gemacht? Roland Burkhart: Ja, in der Schule hat mir Musik viel Freude bereitet, aber die besten Lehrer waren immer noch die Beatles mit ihren exzellenten Gitarrenbüchern. Ich hab dann irgendwann auch angefangen, selbst schriftdeutsche und Mundartlieder zu schreiben. Ich bin in diesem Punkt ein richtiges "Zwitterwesen": Dialekt sprechender Junge vom Land geht in der Stadt zur Schule, lernt da „aaschtändig schwätze“, also die deutsche Schriftsprache, und pendelt als junger Erwachsener wieder in seine Heimat zurück und macht Politik mit Mundartliedern..
Stühlinger MAGAZIN: Warum bist du kein hauptberuflicher Künstler geworden? Roland Burkhart: Ich habe zwar eine eigene Schallplatte mit dem Titel "De bleede Ofe" unter dem Pseudonym "Buki" aufgenommen. Aber dann war ich ja auch junger Vater. Meinen Vaterschaftsurlaub habe ich damals für ein Jahr nehmen können, Das war damals überhaupt noch nicht selbstverständlich. Und als Protestsänger Geld verdienen? Der Scheidepunkt kam, als ich im damaligen "Litfaß" in der Moltkestraße mal auftreten sollte. Das konnte ich nicht. Ich wollte meine Lieder nicht zum Amüsement für schenkelklopfende Biertrinker zum Besten geben. Damals wie heute kann ich aber durchaus ein Zwei Stunden- Programm mit meinen Liedern und Texten füllen.
Stühlinger MAGAZIN: Hast Du viele eigene Lieder komponiert? Roland Burkhart: Ja, recht viele sogar bis heute. Es handelt sich aber nicht nur um Protest- und Revolutionslieder, und auch nicht nur um Mundartlieder. Sie alle unterlagen vielerlei musikalischen Einflüssen. Ich verstehe mich selbst wohl als politischen Liedermacher.
Stühlinger MAGAZIN: Warum bist Du den Weg als Künstler nicht gegangen? Roland Burkhart: Die Umschulung zum Buchhändler bei Jos Fritz erschien mir als sicherer.
Stühlinger MAGAZIN: Nachdem Du Dein Studium abgeschlossen hattest, wolltest Du nicht in Deinem Studienfach arbeiten? Roland Burkhart: Ich wollte auf keinen Fall an der Uni oder an einem Meinungsforschungsinstitut irgendwo arbeiten. Ich wollte nicht weg von Freiburg, wollte hier im Wyhlkampf dabei bleiben. Nur am hiesigen „Deutschen Volksliedarchiv“ hatte ich Interesse, wo ich mich auch 1978 offiziell beworben hatte. Die Arbeit dort hätte mir gefallen. Die wollten keinen Protestsänger haben, aber meine Lieder haben sie brav gesammelt! So kam glücklicherweise das Angebot, bei Jos Fritz einzusteigen, was sehr gut mit meinen Aktivitäten bei den Bürgerinitiativen, mit der Arbeit in der „Volkshochschule Wyhlerwald“und der Sängerrolle als „Buki“ zusammen passte. In den Achtziger Jahren bin ich zwei Mal Vater geworden. Der Ältere arbeitet heute im Personalmanagement bei Apple in Berlin und der Jüngere in Stuttgart als Kameramann.
Stühlinger MAGAZIN: Hast Du dich nebenberuflich politisch weiter engagiert? Roland Burkhart: Ja, klar, in Waldkirch, wo ich seit fast 25 Jahren wohne. Ich bin bei der Offenen Liste (DOL), einer freien und überparteilichen Liste, und war ein paar Monate auch mal im Waldkircher Stadtrat. Davor war ich durch die beiden Kinder lange mit Erziehungs- und Schulfragen beschäftigt. So hat die Beschulung meines ältesten Sohnes, der so gar nicht mit dem regulären Schulsystem zurechtkam, uns dazu gebracht, ihn aufs „Maxhaus“ , eine Waldorfschule in Waldkirch-Kollnau, zu geben. Das war mit viel Engagement für uns Eltern verbunden. Nach der 8. Klasse wechselte er dann auf die städtische Realschule und machte Abitur. Der zweite Sohn war nun auch im Maxhaus und machte später an der Freiburg St-Georgener Waldorfschule sein Abitur. In diesen Jahren habe ich mich an der Entwicklung der Idee und der Organisation der „Langen Nacht der Märchen“ im Elztal beteiligt. Heute engagiere ich mich sehr gerne für das Georg-Scholz-Haus in Waldkirch. Das Interesse für politische, dialektbezogene, künstlerische, musische wie auch literarische Inhalte ist in mir immer wach geblieben und es zieht sich wie ein stetiger Strom durch mein Leben.
Stühlinger MAGAZIN: Hast Du jemals ans Aufhören als Buchhändler gedacht? Roland Burkhart: Ich dachte mit 65 kurz mal ans Aufhören, aber ich habe so viel Freude an Büchern und organisiere noch heute Büchertische für Tagungen und arbeite mich dazu in neue Themengebiete ein. Es werden auch ständig neue thematische Anliegen an mich herangetragen, die ich recherchiere oder für einen Büchertisch aufbereite. So habe ich unlängst einen Tisch für eine Anti-Mobbing-Tagung an der Katholischen Akademie zusammengestellt.
Stühlinger MAGAZIN: Welche konkreten Bezüge hast Du zum Stühlinger? Roland Burkhart: Ich habe hier seit über 20 Jahren mein Arbeitsplatz und ich habe sehr viele nette Leute in der Straße und im Viertel kennengelernt. Ich kann die Imbißstube von Anura schräg gegenüber besonders empfehlen. Er stammt aus Sri Lanka und hat eine so positive Ausstrahlung bei seiner Arbeit. Da geht einem richtig das Herz auf. Ganz viele Leute kommen täglich zu essen, tratschen, machen Mittagspause, mit Kind und Kegel. Bei Anura sind einfach alle willkommen.
Stühlinger MAGAZIN: Bist Du heute noch parteipolitisch engagiert? Roland Burkhart: Parteipolitisch war ich noch nie engagiert, nur als Bürgerinitiativler. Der AKW- Protest von Wyhl war überparteilich und überkonfessionell. Und der heutige, nach wie vor notwendige Protest gegen das AKW Fessenheim muß es auch sein. Ich wollte und will mich deshalb nicht vereinnahmen lassen. Für ein Bürgerinitiativ-Ziel musst Du in allen Kreisen Verbündete suchen und finden. Ich hoffe, dass wir mit Fessenheim so wie in Wyhl zum Erfolg kommen.
Stühlinger MAGAZIN: Hast Du schon neue Projekte für die Zukunft? Roland Burkhart: Ja, aktuell ist es die Geschichte des Nazi-Offiziers Karl Jäger, der aus Waldkirch stammte, und als der "Schlächter der litauischen Juden" bekannt ist. Mit unserer Ideenwerkstatt „Waldkirch in der Nazizeit“ will ich mich unter anderem dafür einsetzen, dass ein Gedenk-Areal in Form von 137 Bäumen in Waldkirch entsteht, damit die grausame Geschichte nicht dem Vergessen anheimfällt. Hierfür haben wir bereits Fraktionsgepräche geführt und Zustimmung erhalten. Es wird also nicht langweilig werden in der Zukunft.
Stühlinger MAGAZIN: Buki, wir danken Dir sehr für das ausführliche Gespräch!
Zur Person: Roland Burkhart („Buki“) wurde 1946 im Freiburger St.-Elisabeth-Krankenhaus geboren und wuchs als einer von fünf Kindern in einer typischen Kaiserstühler Bauernfamilie auf. Mit 12 durfte er aufs Friedrichgymnasium in Freiburg und wohnte im katholischen Studienheim St.Georg in der Habsburgerstraße. Nach seinem Abitur 1967 ging er zur Bundeswehr. Er wurde durch seine Erfahrungen am Gymnasium, im Studienheim und auch bei der Bundeswehr politisiert und entschloss sich 1969, Politik und Soziologie zu studieren. Er ist 1974/75, in der Endphase seiner Studienzeit an der Freiburger Uni, zu den Platzbesetzungen im elsässischen Marckolsheim und im badischen Wyhl gestoßen und seither als Kaiserstühler Protestsänger gegen das geplante Atomkraftwerk von Wyhl bekannt. Seit 1989 betreibt Roland Burkhart einen eigenständigen Buchservice in der Stühlingerstraße 6, den er nach seiner Buchhändlerlehre bei JosFritz aufgebaut hatte. Er hat zwei heute erwachsene Söhne und eine Lebensgefährtin.
Das Interview ist in der Dezemberausgabe 2013 des Stühlinger MAGAZIN erschienen. Links:
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