Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Regionalverband Südlicher Oberrhein
Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV)
Arbeitskreise Freiburg und Nördliches Markgräflerland
Gemeinsame Stellungnahme Ausbau der L 125 im Schneckental und Ortsumfahrung Schallstadt im Zuge der B 3:
Die Planfeststellungsverfahren
Mit kurzem zeitlichen Abstand laufen beim Regierungspräsidium Freiburg zwei getrennte Planfeststellungsverfahren für Straßenbauvorhaben am Batzenberg südlich von Freiburg; sie sind räumlich dicht benachbart und auch im Hinblick auf ihre Funktion eng miteinander verknüpft. Spätestens seit Offenlegung der Pläne für die Ortsumfahrung Schallstadt im Verlauf der B 3 haben sich bei den Umweltverbänden, aber auch bei vielen Bewohnern der Region große Zweifel ergeben, ob die gesamte Planung schlüssig ist und ob sie für Mensch und Umwelt eine gute Lösung ergibt. Es handelt sich um die folgenden Vorhaben:
Zum Einen – mittlerweile mit Planfeststellungsbeschluss – Ausbau der Landesstraße L 125 durch das Schneckental, beginnend hinter dem „Durchstich“ unter der Eisenbahn bei Schallstadt und an Pfaffenweiler vorbei bis zur bestehenden Ortsumfahrung Kirchhofen. Geplant ist eine Entschärfung der bestehenden Kurven und ein geringer Ausbau (Breite 6,5 m); die bereits in einer Richtung bestehende Tonnagebegrenzung für den LKW-Verkehr über 7,5 t soll nach der Fertigstellung (befristet?) auf beide Fahrtrichtungen ausgeweitet werden. Beabsichtigt ist offensichtlich, die Strecke für den überörtlichen Verkehr unattraktiv zu machen.
Zum Anderen – derzeit in der Anhörung – die Umfahrung der B 3 um Schallstadt als ortsnahe „Schlinge“, direkt über dem Ort am Hang des Batzenberges verlaufend, mit technisch sehr aufwändigen und schwierigen Anschlussbauwerken, vor allem an die L 125 im Schneckental, aber auch an die bestehende B 3 am südlichen Ortsausgang von Schallstadt.
Die B 3 führt im weiteren Verlauf auf der Westseite des Batzenberges – quasi parallel zur Schneckentalstraße – durch Norsingen nach Bad Krozingen. Kernfrage ist letztlich, welche der beiden Trassen künftig den regionalen Verkehr zwischen Freiburg und der Krozinger Ostumfahrung aufnehmen soll. Der überregionale Verkehr fließt auf der dritten parallel verlaufenden Trasse, der A 5; es sollte alles getan werden, um auch den regionalen Verkehr (insbesondere LKW) künftig noch stärker auf diese leistungsfähige Achse zu leiten.
Ein Blick zurück: die „Schlingenlösung“
Die geplante „Schlinge“ um Schallstadt geht zurück auf die „Schlingenlösung“, die Ende der 70er Jahre ursprünglich von Umweltgruppen ins Gespräch gebracht worden war. Die damals vorgeschlagenen zwei Schlingen (kurze Umfahrungen) um Schallstadt und Norsingen waren im Zusammenhang mit dem Vorschlag der „B-3-Westumfahrung Bad Krozingen“ zu sehen (und nur in dieser Kombination waren sie auch sinnvoll). Dabei sollte die B 3 auf kurzer Strecke und optimal lärmgeschützt direkt neben der Bahntrasse in Bündelung durch Bad Krozingen geführt werden. Diese Trasse hätte einen minimalen Landverbrauch bedeutet, sie hätte den innerörtlichen Verkehr aufnehmen und die jetzige Ortsdurchfahrt fast völlig entlasten können, diese hätte dadurch zur Fußgängerzone werden können.
Die Krozinger Westumfahrung war nicht gewollt und wurde nicht realisiert; stattdessen wird jetzt in weitem Bogen Richtung Staufen die Ostumfahrung gebaut, mit enormer Zerschneidung und Verbrauch von Landschaft, und mit dem Nachteil, dass der Inner-Krozinger Verkehr diese Umfahrung nicht nutzen kann.
Die Ausgangssituation heute: Die Fakten sind anders!
Die heutigen Planungsgrundlagen sind also völlig andere als Ende der 70er Jahre: Es existiert die großzügig (4-spurig) ausgebaute Umfahrung der B 3 um Freiburg St. Georgen, die mit dem Durchstich unter der Bahn ins Schneckental bei Pfaffenweiler zielt. Die Schneckentalstraße selbst ist nach wie vor in einem schlechten Zustand und erfordert auf jeden Fall Ausbaumaßnahmen. Nach Süden liegt der direkte Anschluss an die gut ausgebaute Umfahrung von Kirchhofen vor, weiter verbunden über einen Kreisverkehr mit der geradlinig und ebenfalls gut ausgebauten Umfahrung Ambringen (K 4982) bis zum bestehenden Anschluss an den bereits fertiggestellten Abschnitt der Krozinger Ostumfahrung (L 123).
In dem Maße, wie diese „Schneckental-Achse“ schrittweise verbessert wurde, nahm der darauf fließende Verkehr zu. Sobald die Ostumfahrung Krozingen (B 3) komplettiert sein wird, wird mit Sicherheit ein noch weitaus größerer Anteil des Verkehrs, der ursprünglich den Weg durch Bad Krozingen nahm, durch das Schneckental fließen. Ein Blick auf die regionale Straßenkarte lässt erkennen, dass der Verkehr sich diesen Weg fast „naturgesetzlich“ suchen wird (kürzere Strecke und keine Ortsdurchfahrten!).
Die vorliegenden Planungen des Regierungspräsidiums scheinen genau den anderen Weg gehen zu wollen: Die Schneckentaltrasse soll gering dimensioniert ausgebaut und mit einem Durchfahrtverbot für LKW (befristet?) belegt werden, während die B 3 Richtung Bad Krozingen offensichtlich weiter die Hauptlast, insbesondere auch des LKW-Verkehrs, übernehmen soll. Dafür spricht z.B. auch die Tatsache, dass bei dem Kreuzungsbauwerk, das im nördlichen Schneckental vorgesehen ist, die Geradeaus-Spur von Freiburg auf die Umfahrung Schallstadt, also in Richtung Krozingen, und nicht etwa ins Schneckental führen soll.
Die derzeitige Planung: Nirgends eine gute Lösung!
Wir sind der Meinung, dass bei Realisierung dieser beiden Planungen weder für die Raumschaft noch für die betroffenen Orte sinnvolle Lösungen erreicht würden. Es würden vielmehr für die Menschen in den Dörfern, für die Autofahrer, die Landwirtschaft, für Natur, Umwelt und Landschaftsbild sowie für die öffentlichen Kassen massive Nachteile und Beeinträchtigungen in Kauf genommen. Das soll an einigen Punkten aufgezeigt werden:
- Schallstadt würde durch die über dem Dorf am Batzenberg-Hang verlaufende, sehr ortsnahe Umfahrung eingeschnürt, - mehr noch als bisher schon durch die Bahntrasse. Das Bild der Landschaft und des gewachsenen und relativ intakten Winzerdorfes würde durch die dominierende Trasse über dem Dorf mit den Lärmschutzwänden sowie durch die überdimensionierten Anschlussbauwerke erheblich beeinträchtigt. Die Zufahrtswege in die Reben und auf die Badische Weinstraße würde unsinnig erschwert und verlängert; die Lärmsituation würde nicht entscheidend verbessert, teilweise nur verlagert. Es ist aus diesen Gründen nicht verwunderlich, dass die Bevölkerung von Schallstadt ganz überwiegend die Planung ablehnt.
- Norsingen würde auf unbestimmte Zeit weiter unter dem starken Durchgangsverkehr (speziell der LKW) zu leiden haben, da derzeit keine konkreten Vorstellungen bestehen, ob und wann die „Norsinger Schlinge“ gebaut wird. Verständlich, dass auch die Norsinger Bevölkerung mehrheitlich die bestehende Planung ablehnt.
- Im Hinblick auf Landschaft und Natur ist die offengelegte Planung der Schallstädter Umfahrung erschreckend unsensibel und passt nicht in die Landschaft: Es werden Bereiche zerstört, die sich ländlichen Reiz und ökologischen Wert bewahrt haben (Streuobst-, Garten- und Rebgelände), dazu kommt es durch aufwändige und sehr komplexe Kreuzungsbauwerke (Knoten im Schneckental!) zu erheblicher Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. In einer Zeit, in der von Seiten der Landesregierung, aber auch des Regierungspräsidiums Landschaftszerschneidung und Landschaftsverbrauch als zentrale Umweltprobleme erkannt werden und begonnen wird, Gegenstrategien zu entwickeln, ist diese rein technisch orientierte Planung anachronistisch und nicht akzeptabel. Gerade weil der Landschaftsschutz bei den Entscheidungen des Regierungspräsidiums sonst einen hohen Stellenwert hat, ist zu hoffen, dass diese landschaftszerstörende Planung in der sensiblen Vorbergzone nicht zur Ausführung kommt.
- Aus überörtlicher Sicht ist es keine gute Lösung, den Großteil des Verkehrs völlig unnötig über eine längere Strecke, vorbei an vielen betroffenen Menschen, zu führen. Das ergibt längere Fahrzeiten, größeren Treibstoffverbrauch und höhere Emissionen. Die derzeitige Planung wird den Problemen nicht gerecht, sie ist nicht zukunftsorientiert und vergibt Chancen für eine sinnvollere Planung, die auf der Hand liegen.
- Beim Vergleich der diskutierten Alternativen ist leicht zu erkennen, dass bei sämtlichen Schutzgütern bzw. Parametern eine Führung des Hauptverkehres durch das Schneckental besser abschneidet, beispielsweise:
Boden/Fläche: Flächenverbrauch und Zerschneidung von Landschaft sind
deutlich geringer;
Landschafts- und Siedlungsbild/Erholung: Die notwendigen Eingriffe sind viel
weniger massiv und zerstörerisch;
Biotope/Tier- und Pflanzenwelt: wesentlich geringere Verluste an wertvollen
Lebensräumen.
- Schließlich sprechen auch Kostengründe klar für die Schneckentalvariante, deren Trasse ja in jedem Fall ausgebaut werden muss. Ein breiterer Ausbau (auf 7,50 m Breite) und – wo immer möglich und sinnvoll - ein Mehr an Lärmschutz, ggf. auch über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, wären wesentlich preisgünstiger als die Ortsumfahrung Schallstadt, in einer Zeit leerer öffentlicher Kassen ein gewichtiges Argument.
Konsequenzen und Forderungen
In dieser Situation ergibt sich für unvoreingenommene Beobachter – Laien wie Fachleute – fast zwingend die Konsequenz, dass einer Führung des Hauptverkehrs durch das Schneckental mit Anbindung an die Krozinger Ostumfahrung gegenüber anderen Lösungen der Vorzug zu geben ist.
Wir plädieren daher dafür, die Schneckentaltrasse gegenüber der planfestgestellten Trasse breiter, mit optimalem Schallschutz bei Pfaffenweiler (Tieflage, wo immer möglich, evtl. gedeckelt, Führung hinter dem Friedhof?) und mit geschickter Einbindung in die Landschaft zu planen und zu bauen. Im Vergleich mit den bisherigen Planungen käme es für die Bewohner von Pfaffenweiler und für die Landschaft des Schneckentales dadurch zu keiner unzumutbaren Zunahme von Belastungen.
Die umstrittene Ortsumfahrung Schallstadt sollte zurückgestellt werden, bis Erfahrungen vorliegen, wie viel Verkehr nach Ausbau der Schneckentalstraße und nach Freigabe auch für LKW noch durch Schallstadt fließt; wahrscheinlich wird sie dann nicht mehr notwendig sein, ebenso wie eine ansonsten zwingend erforderliche Umfahrung von Norsingen. Es sollte in jedem Fall zunächst versucht werden, durch geeignete Maßnahmen im Verlauf der bestehenden Ortsdurchfahrt von Schallstadt den Verkehr erträglicher zu machen (z.B. durch Temporeduzierung, Abbiegespuren, Überquerungshilfen, LKW-Durchfahrverbot).
Wir fordern die zuständigen Behörden - insbesondere das Regierungspräsidium Freiburg - auf, die Straßenplanung für die Raumschaft nochmals grundlegend zu überdenken. Die festzulegende Lösung wird auf Jahrzehnte die verkehrstechnische und landschaftliche Situation um den Batzenberg bestimmen. Einmal gebaute schlechte Lösungen lassen sich kaum mehr zurücknehmen, - im Gegensatz zu Planungen, die bislang nur auf dem Papier existieren. Es zeugt von planerischer und politischer Vernunft sowie von offenem und demokratischem Planungsverständnis, wenn trotz des teilweise weit fortgeschrittenen Planungsstadiums nochmals intensiv nach einer überörtlich optimalen Lösung gesucht wird, die für Mensch, Umwelt und vor allem auch für die Verkehrsteilnehmer die beste ist.
Wir appellieren an die Verantwortlichen, in dieser schwierigen Situation nichts übereilt zu zementieren, sondern die gesamte Planung am Batzenberg mit unvoreingenommenem Sachverstand nochmals kritisch zu überprüfen.
Für den BUND
Regionalverband Südlicher Oberrhein Dieter Kügele
Für den LNV
Arbeitskreis Freiburg Dr. Ekkehard Köllner
Für den LNV
Arbeitskreis Nördliches Markgräflerland Franz Schneider
Noch ein Dank:
Es gibt im Umwelt- und Naturschutz beim BUND und in allen Verbänden eine Gruppe von Menschen die eine weitgehend unbeachtete, stille, ungeheuer wichtige Arbeit leistet (siehe oben). Diese Menschen sitzen in ihrer Freizeit am Computer und verfassen Stellungnahmen zu umwelt- und naturschutzrelevanten Planungen. Sie stehen nicht im Vordergrund und sind dennoch unersetzlich. Manches falsche, problematische umwelt- und naturgefährdende Projekt konnte von diesen Menschen gestoppt, oder mensch- und naturverträglich optimiert werden. Ihnen gebührt ein Dank!
Axel Mayer
[artikel=IMPORT: Umzug]
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Frank Baum aus Staufen zählt zu den engagiertesten Umwelt- und Naturschützern (nicht nur) am Oberrhein.
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